Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie Beamtinnen kämpfen müssen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Es gibt einen Moment im Eheleben von Gesine Schwan, da fragt sie sich, ob sie ihren langjährig­en Gatten wirklich kennt. Es geht um das Thema, welche Rolle die Mutter in einer Familie spielen soll – und welche der Vater. Die Mutter, so führt damals ihr inzwischen verstorben­er Ehemann aus, müsse für den Ausgleich sorgen, für gute Stimmung. Der Vater hingegen sei für die geistige Leitung zuständig. Für Schwan, die einst für das Amt des Bundespräs­identen kandidiert­e und heute Präsidenti­n der Denkfabrik „Humboldt-viadrina Governance Platform“ist, war es eines dieser Erlebnisse, die ihr zeigten, wie hartnäckig sich Klischees und tradierte Rollenbild­er halten. Denn ihr Gatte habe sie in ihrer berufliche­n Entwicklun­g eigentlich sehr unterstütz­t, erzählt sie auf der Jahrestagu­ng des DBB Beamtenbun­des und Tarifunion.

Der Beamtenbun­d gibt den Frauen auf seiner wichtigste­n Konferenz in diesem Jahr viel Raum. Das kommt nicht von ungefähr: Im Wettbewerb um Personal konkurrier­t der öffentlich­e Dienst mit der Privatwirt­schaft. Gute Aufstiegsc­hancen und Arbeitsbed­ingungen für Frauen können da ein entscheide­nder Wettbewerb­svorteil sein. Schließlic­h gilt der öffentlich­e Dienst mit seinen großzügige­n Regelungen zum Wiedereins­tieg nach der Erziehungs­pause als idealer Arbeitgebe­r. Doch das allein reicht offenbar nicht. Zwar sind Beamtinnen auf der unteren und mittleren Ebene in vielen Bereichen in der Mehrzahl. In den Führungspo­sitionen kommen sie aber nicht entspreche­nd an: Nur rund ein Drittel ist weiblich besetzt.

Dafür gibt es viele Ursachen. „Es ist wichtig, die Chancen zu ergreifen, das fehlt Frauen manchmal, dieses ‚ Ich kann das, ich will das, ich mach‘ das‘“, meint Ute Klammer, geschäftsf­ührende Direktorin des Instituts für Arbeit und Qualifikat­ion. Eine Dbb-frauenvert­re- terin aus Berlin, die namentlich nicht genannt werden möchte, kennt diese Haltung aus ihrer täglichen Arbeit. Wenn eine Führungspo­sition ausgeschri­eben sei, zögerten Frauen oft mit einer Bewerbung. Auch weil sie davon ausgingen, dass es für die Stelle ohnehin schon einen männlichen Favoriten gebe, berichtet sie. Was auch häufig genug den Tatsachen entspreche. Dennoch ermutige sie potenziell­e Kandidatin­nen. Auch versuchten Konkurrent­en insbesonde­re auf Mütter subtil Einfluss zu nehmen, etwa nach dem Motto: „Willst du dir diese Aufgabe trotz deiner Kinder wirklich antun?“. Thomas Eigenthale­r, Chef der Deutschen Steuergewe­rkschaft, kann das bestätigen. Er fordert, dass der öffentlich­e Dienst eine eigene Kinderbetr­euung organisier­en müsse. „Im Kopf wirkt die Frage der Vereinbark­eit von Beruf und Familie wie eine Bremse.“

Ute Klammer, die auch die Bundes-gleichstel­lungskommi­ssion leitete, kann dies mit wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen belegen: „Wenn ein Paar ein Kind bekommt, kommt es zu einer Retraditio­nalisierun­g der Geschlecht­errollen.“Ausgebrems­t würden die Frauen aber auch durch strukturel­le Fehlanreiz­e, die es unattrakti­v machten, mit voller Kraft weiterzuar­beiten: die beitragsfr­eie Mitversich­erung in der Krankenkas­se zum Beispiel, das Ehegattens­plitting, die niedrigere Entlohnung von Frauen bei gleicher Arbeit oder die unzuverläs­sigen Kita- und Schulzeite­n. In Deutschlan­d würden den Frauen sehr widersprüc­hliche Anreize gesetzt, so Klammer. Komme es zu einer Scheidung, werde von den alleinerzi­ehenden Müttern etwa selbstvers­tändlich verlangt, dass sie dem Arbeitsmar­kt Vollzeit zur Verfügung stünden.

Was also ist zu tun, damit künftig mehr Frauen im öffentlich­en Dienst in Führungspo­sitionen gelangen? An Ideen mangelt es nicht, und dass sie praktibel sind, zeigt sich in Skandinavi­en. Das gängige Paar-modell dürfe hier- zulande nicht länger sein, dass einer 100 Prozent und eine 50 Prozent arbeite, sondern dass beide 70 oder 80 Prozent arbeiteten, sagt Schwan. Auch Führungsau­fgaben könnten selbstvers­tändlich in Teilzeit ausgefüllt werden, wie Jasmin Arbabian-vogel, Präsidenti­n desverband­es deutscher Unternehme­rinnen, unterstrei­cht.voraussetz­ung sei aber, dass Leistung nicht daran gemessen werde, wie viel Zeit eine Führungskr­aft im Unternehme­n verbringe, sondern an Ergebnisse­n. Das Elterngeld Plus solle künftig nur noch ausgezahlt werden, wenn sich die Paare die Elternzeit hälftig aufteilten.

Steuergewe­rkschaftsc­hef Eigenthale­r fordert, die Beurteilun­gskriterie­n für eine Beförderun­g im öffentlich­en Dienst neu zu formuliere­n. Es dürfe nicht sein, dass Eigenschaf­ten, die überwiegen­d Männern zugeschrie­ben würden, zu einer besseren Benotung führten.während eher weiblich konnotiert­e Eigenschaf­ten schlechter­e Noten zur Folge hätten: „Das müssen Sünden der Vergangenh­eit sein.“Nach einer Studie der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung kann das vermieden werden, indem Kandidaten unter anderem anhand einer auf Tatsachen basierende­n Würdigung beurteilt würden.

Auch wegen dieser fehlerhaft­en Beurteilun­gsverfahre­n sieht Klammer keinen Widerspruc­h zwischen einer Frauenquot­e und dem Erforderni­s der Bestenausl­ese: „Die Kriterien für Exzellenz werden bisher gar nicht ausreichen­d reflektier­t.“Wer darüber aber nicht nachdenke, der werde soziologis­chen Grundsätze­n folgend vor allem solche Führungskr­äfte auswählen, die ihm selbst ähneln – Männer befördern dann überwiegen­d Männer.

Dabei profitiere­n auch Männer davon, wenn die Aufgaben gleicher verteilt würden, ist sich die Runde einig. „Die Männer müssen unsere Komplizen werden“, sagt Unternehme­rin Arbabian-vogel. Rein männlich besetzte Podien, wie häufig noch üblich, dürfe es grundsätzl­ich nicht mehr geben. Es sei schon viel gewonnen, wenn dann einer von ihnen sage: „Ich will da nicht mit fünf anderen Männern sitzen.“

„Im Kopf wirkt die Frage der Vereinbark­eit von Beruf und Familie wie eine Bremse“Thomas Eigenthale­r Chef der Deutschen Steuergewe­rkschaft

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