Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Trump mauert
Im Us-haushaltsstreit bleiben die Fronten auch nach der Ansprache des Präsidenten verhärtet.
WASHINGTON An Insignien der Macht mangelt es nicht. Donald Trump sitzt hinter dem „Resolute Desk“, dem kunstvoll geschreinerten Schreibtisch, den die britische Königin Victoria einst als Geschenk nach Washington schicken ließ. Im Hintergrund Flaggen, Medaillen, Fotos seiner Eltern. Nach den Farben des Sternenbanners trägt er eine rote Krawatte mit blauen und weißen Streifen.
Wählen Us-präsidenten das Oval Office als Kulisse, um sich an die Nation zu wenden, soll optisch alles stimmen. Denn in aller Regel geht es um Schwerwiegendes. Trump nutzt die Fernsehansprache, die erste überhaupt aus seinem Arbeitszimmer, um zu begründen, warum er im Streit mit den Demokraten hart bleibt, statt einzulenken angesichts des nunmehr fast drei Wochen andauernden Regierungsstillstands. „Meine amerikanischen Mitbürger“, beginnt er, „ich spreche zu Ihnen, weil wir es mit einer wachsenden humanitären und Sicherheitskrise an unserer Südgrenze zu tun haben.“Zur besten Sendezeit, um 21 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in derart düsteren Farben, dass bald darauf die Faktenprüfer einschreiten, um Falsches und Halbwahres zu korrigieren.
Täglich würden mehrere Tausend illegaler Migranten aufgegriffen, behauptet er, während es nach der ak- tuellsten Statistik in Wahrheit 1087 pro Tag sind. 90 Prozent des in den USA konsumierten Heroins würden aus Mexiko geschmuggelt, sagt der Präsident, obwohl Experten wissen, dass das Gros über Häfen und Flughäfen in die USA gelangt, woran eine Grenzmauer nichts ändern würde.
Neun Minuten nur dauert die Rede, sie gipfelt in anklagenden Sätzen, mit denen er dem politischen Gegner den schwarzen Peter zuschiebt. „Wie viel Blut müssen wir noch verlieren, bevor der Kongress seine Arbeit macht?“, fragt Trump. Er verlangt 5,7 Milliarden Dollar für die Verlängerung eines Stahlzauns, der auf einem Drittel der 3144 Kilometer langen Grenze bereits existiert. Die Demokraten sind bereit, 1,3 Milliarden zu bewilligen, für bessere Überwachungstechnik, nicht für eine Mauer. Neuevorschläge unterbreitet Trump nicht.
Vieles von dem, was man während des „sinnlosen“Shutdowns vom Präsidenten gehört habe, sei falsch oder sogar bösartig, erwidert Nancy Pelosi, die Nummer eins im Repräsentantenhaus. Chuck Schumer, der führende Demokrat des Senats, spitzt denvorwurf noch zu:„bei uns regiert man nicht durchwutanfälle.“
Wie angesichts verhärteter rhetorischer Fronten der Kompromiss aussehen soll, den Exekutive und Legislative finden müssen, sollen 800.000 zwangsbeurlaubte Staatsbedienstete wieder zu ihrem Lohn kommen, lässt sich vorerst nicht erkennen. Am Donnerstag will Trump nach Texas ins Grenzgebiet fliegen, wobei aufschlussreich ist, wie wenig er sich selber davon zu versprechen scheint.„es wird nicht das Geringste ändern, dennoch mache ich das“, gibt die„newyork Times“wieder, was er gesagt haben soll. Sein Pr-stab habe ihn dazu überredet.
Zumindest verzichtete Trump in seiner Rede darauf, den nationalen Notstand auszurufen, um auch ohne parlamentarische Zustimmung Grenzbarrieren bauen zu können, wie er es zuvor angedroht hatte. Zunehmender Druck aus den eigenen Reihen könnte ihn bewogen haben, es vorläufig nicht auf die Spitze zu treiben. Amerikanischen Medienberichten zufolge sind es im Senat bereits fünf Republikaner, die dafür plädieren, als Erstes den Shutdown zu beenden und danach über Grenzzäune zu verhandeln.