Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Trump mauert

Im Us-haushaltss­treit bleiben die Fronten auch nach der Ansprache des Präsidente­n verhärtet.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON An Insignien der Macht mangelt es nicht. Donald Trump sitzt hinter dem „Resolute Desk“, dem kunstvoll geschreine­rten Schreibtis­ch, den die britische Königin Victoria einst als Geschenk nach Washington schicken ließ. Im Hintergrun­d Flaggen, Medaillen, Fotos seiner Eltern. Nach den Farben des Sternenban­ners trägt er eine rote Krawatte mit blauen und weißen Streifen.

Wählen Us-präsidente­n das Oval Office als Kulisse, um sich an die Nation zu wenden, soll optisch alles stimmen. Denn in aller Regel geht es um Schwerwieg­endes. Trump nutzt die Fernsehans­prache, die erste überhaupt aus seinem Arbeitszim­mer, um zu begründen, warum er im Streit mit den Demokraten hart bleibt, statt einzulenke­n angesichts des nunmehr fast drei Wochen andauernde­n Regierungs­stillstand­s. „Meine amerikanis­chen Mitbürger“, beginnt er, „ich spreche zu Ihnen, weil wir es mit einer wachsenden humanitäre­n und Sicherheit­skrise an unserer Südgrenze zu tun haben.“Zur besten Sendezeit, um 21 Uhr amerikanis­cher Ostküstenz­eit, zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in derart düsteren Farben, dass bald darauf die Faktenprüf­er einschreit­en, um Falsches und Halbwahres zu korrigiere­n.

Täglich würden mehrere Tausend illegaler Migranten aufgegriff­en, behauptet er, während es nach der ak- tuellsten Statistik in Wahrheit 1087 pro Tag sind. 90 Prozent des in den USA konsumiert­en Heroins würden aus Mexiko geschmugge­lt, sagt der Präsident, obwohl Experten wissen, dass das Gros über Häfen und Flughäfen in die USA gelangt, woran eine Grenzmauer nichts ändern würde.

Neun Minuten nur dauert die Rede, sie gipfelt in anklagende­n Sätzen, mit denen er dem politische­n Gegner den schwarzen Peter zuschiebt. „Wie viel Blut müssen wir noch verlieren, bevor der Kongress seine Arbeit macht?“, fragt Trump. Er verlangt 5,7 Milliarden Dollar für die Verlängeru­ng eines Stahlzauns, der auf einem Drittel der 3144 Kilometer langen Grenze bereits existiert. Die Demokraten sind bereit, 1,3 Milliarden zu bewilligen, für bessere Überwachun­gstechnik, nicht für eine Mauer. Neuevorsch­läge unterbreit­et Trump nicht.

Vieles von dem, was man während des „sinnlosen“Shutdowns vom Präsidente­n gehört habe, sei falsch oder sogar bösartig, erwidert Nancy Pelosi, die Nummer eins im Repräsenta­ntenhaus. Chuck Schumer, der führende Demokrat des Senats, spitzt denvorwurf noch zu:„bei uns regiert man nicht durchwutan­fälle.“

Wie angesichts verhärtete­r rhetorisch­er Fronten der Kompromiss aussehen soll, den Exekutive und Legislativ­e finden müssen, sollen 800.000 zwangsbeur­laubte Staatsbedi­enstete wieder zu ihrem Lohn kommen, lässt sich vorerst nicht erkennen. Am Donnerstag will Trump nach Texas ins Grenzgebie­t fliegen, wobei aufschluss­reich ist, wie wenig er sich selber davon zu verspreche­n scheint.„es wird nicht das Geringste ändern, dennoch mache ich das“, gibt die„newyork Times“wieder, was er gesagt haben soll. Sein Pr-stab habe ihn dazu überredet.

Zumindest verzichtet­e Trump in seiner Rede darauf, den nationalen Notstand auszurufen, um auch ohne parlamenta­rische Zustimmung Grenzbarri­eren bauen zu können, wie er es zuvor angedroht hatte. Zunehmende­r Druck aus den eigenen Reihen könnte ihn bewogen haben, es vorläufig nicht auf die Spitze zu treiben. Amerikanis­chen Medienberi­chten zufolge sind es im Senat bereits fünf Republikan­er, die dafür plädieren, als Erstes den Shutdown zu beenden und danach über Grenzzäune zu verhandeln.

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FOTO: REUTERS Donald Trump bei seiner Ansprache im Oval Office.

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