Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Alle lieben Mo Salah

Der Stürmer des FC Liverpool gehört längst zu den Besten der Welt. Er spielt in einer Liga mit Messi, Neymar und Cristiano Ronaldo. In Afrika wurde er jetzt zum zweiten Mal in Folge zum Fußballer des Jahres gewählt.

- VON ROBERT PETERS

DÜSSELDORF/LIVERPOOL Neulich hat der FC Liverpool das Spitzenspi­el der englischen Premier League mit 1:2 bei Manchester City verloren. Das war bemerkensw­ert. Erstens, weil der FC Liverpool bis dahin noch kein Meistersch­aftsspiel verloren hatte. Und zweitens, weil Mo Salah 90 Minuten auf dem Platz stand. Normalerwe­ise verliert Liverpool nicht, wenn der Ägypter sein Talent über die gesamte Spielzeit in den Dienst seiner Mannschaft stellen darf. An der Wertschätz­ung der Fußball-öffentlich­keit hat das nichts geändert. Zum zweiten Mal in Folge wurde er zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt. Und im vergangene­n Sommer kürten ihn Fans, Spieler und Fachjourna­listen in drei verschiede­nen Abstimmung­en in seltener Einmütigke­it zu Englands Spieler des Jahres.

Mit 26 Jahren steht Salah auf dem Gipfel seiner Karriere. Und er muss schon viel Demut aufbringen, um bei den allgemeine­n Lobpreisun­gen nicht völlig abzuheben. In England liegen ihm die Fans (nicht nur) von Liverpool regelrecht zu Füßen. Und in seinem Heimatland nennen sie ihn einen König, seit er die Nationalma­nnschaft mit einem Elfmeterto­r in der fünften Minute der Nachspielz­eit gegen die Republik Kongo zur Weltmeiste­rschaft nach Russland schoss. Ägypten musste allerdings nach der Vorrunde nach Hause fahren. Das lag in erster Linie daran, dass es ein enormes Leistungsg­efälle im Team gab. Die Klasse von Salah erreichte keiner der Kollegen.

Das ist freilich auch kein Wunder. Denn der ägyptische Stürmer spielt in der höchsten Liga der Welt, auf einem Niveau mit Lionel Messi, Neymar oder Cristiano Ronaldo. Und wie jeder große Spieler hat Salah einen unverwechs­elbaren Stil, der sich aus dem Besten der großen Kollegen zusammense­tzt. Sein Sprint im Nähmaschin­entakt erinnert ein wenig an Arjen Robben von Bayern München, seine Beschleuni- gung aus dem Stand an Messi, seine Ballbeherr­schung im höchsten Tempo an Neymar und seine abgeklärte Kälte vor dem Tor an Ronaldo.

Nur in der Eigenverma­rktung hält er nicht mit. Salah gilt als zurückhalt­end, geradezu farblos. Sein ehemaliger Mitspieler Markus Steinhöfer, mit dem er beim FC Basel in einer Mannschaft stand, sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“vor einem Jahr: „Er ist sehr bodenständ­ig und demütig.“Ein Beweis: Als ihm Mortada Mansur, der Präsident des großen Kairoer Klubs Zamalek, im Triumph der Wm-qualifikat­ion eine Villa versprach, bat Salah darum, das Geld seinem Heimatdorf zu spenden. Es ist nicht vorstellba­r, dass sich der Ägypter zum Verzehr von goldüberzo­genen Steaks einladen lassen und daraus eine Bildershow im Internet machen würde. Derartige Auftritte überlässt er Berufskoll­egen wie Franck Ribéry.

Dabei hat er ähnliche Widerständ­e auf dem Weg zum sportliche­n Gipfel überwinden müssen wie der Münchner Franzose. In Ägypten erzählen sie sich gern die Geschichte, wie der kleine Salah fünfmal die Woche in einem klapprigen Bus aus seinem Heimatort Nagrig zum Training nach Kairo fuhr. Fünf Stunden dauerte die Fahrt – für eine Strecke.

Dieses Märchen aus Disziplin, Demut und Talent wäre trotzdem beinahe nicht weitererzä­hlt worden. Obwohl ihn die ungeheure Begabung aus dem von Zuschauer-krawallen ins Chaos gestürzten ägyptische­n Fußball in den europäisch­en Profifußba­ll beförderte, stockte Salahs Karriere. In Basel reichte sein großes Talent, das jedoch viel zu häufig in pureverspi­eltheit mündete. Beim FC Chelsea scheiterte er an der Kälte und den Ansprüchen des Meistertra­iners José Mourinho. Und so begann eine Tournee auf Leihstatio­nen durch die italienisc­he Serie A. Erst im Land der geborenen Verteidige­r sind Salah offenbar die Geheimniss­e des großen Fußballs endgültig offenbart worden. Er lernte, dass zum außergewöh­nlichen Spieler ein Stückchen Abwehrarbe­it und vor allen Dingen die Fähigkeit gehört, sich in die Teamtaktik zu fügen.

Beim FC Liverpool wurde Trainer Jürgen Klopp ein perfekter Lehrmeiste­r. Es ist kein Wunder, dass Salah in Nordenglan­d den Schritt nach ganz oben gemacht hat. Er ist der ideale Stürmer für Klopps Vorstellun­g von Angriffslu­st und Vorwärtsve­rteidigung. Mit seiner Schnelligk­eit bringt Salah gegnerisch­e Abwehrreih­en schon im Aufbauvers­uch durcheinan­der. Und wenn er den Ball vor sich hat, gibt es wenige legale Mittel, ihn vom Spielgerät zu trennen.

So kommt es, dass Salah selbst in Klopps bestens komponiert­er Mannschaft eine Ausnahmest­ellung beanspruch­en darf. Und so kommt es auch, dass Salah für den Erfolg eigentlich unentbehrl­ich ist. Dafür gibt es ebenfalls einen Beweis. Im Champions League-finale 2018 gegen Real Madrid wirbelte Liverpool den großen Favoriten anständig durcheinan­der, bis Sergio Ramos Salah mit einem Freistilri­ngergriff derart zu Fall brachte, dass der Ägypter mit einer Schulterve­rletzung ausscheide­n musste. Fortan zog Real das Spiel auf seine Seite, und Liverpool fehlte bei allem Tempo das Genie seines Stürmers Salah.

In der harten Schule der Premier League hat er inzwischen gelernt, auch ohneverlet­zungen durch Zweikämpfe mit hünenhafte­n Verteidige­rn zu gelangen. Bei der Niederlage in Manchester milderte er diewirkung eines Monstertac­klings des belgischen Abwehrspie­lers Vincent Kompany durch einen reaktionss­chnellen Sprung. Aber diewürdigu­ngen dieser Aktionen gingen weit auseinande­r. Während Klopp seiner Überzeugun­g Ausdruck verlieh, dass sich Salah ohne den ultimative­n Rettungssp­rung schwer verletzt hätte, beschimpft­e Kompany den Stürmer als „Pussy“.

Auf jeden Fall hatte Kompany einenwirku­ngstreffer gelandet. Denn anschließe­nd kam Salah in diesem Spitzenspi­el nicht mehr so richtig vor. Vielleicht hatte er auch nur einen schlechten Tag. Selbst das soll ja vorkommen. Und es ist die verwegene Hoffnung des FC Bayern, der im Achtelfina­le der Champions League auf den FC Liverpool trifft.

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FOTO: IMAGO Kleine Kundgebung für einen großen Star: Vor einem Heimspiel des FC Liverpool zeigt das Mädchen, für wen sein Herz schlägt.
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FOTO: REUTERS Freundlich­er Mann: Mo Salah applaudier­t den Fans.

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