Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Durchbruch für kostenlose Kitas
Die Koalition ist jetzt zu einem Beitragsverzicht bei der „Ü-3-betreuung“bereit. Das soll nicht der Endpunkt sein.
NEUSS Vom Sommer nächsten Jahres an soll in Neuss die generelle Beitragsfreiheit für die Betreuung der Kindergartenkinder gelten. Das kündigte am Mittwoch Bürgermeister Reiner Breuer an. Er werde das beim Aufstellen des Haushaltes für 2020 einpreisen und damit die Voraussetzung für einen Verzicht auf Elternbeiträge schaffen, sagte Breuer. Zugleich will er auf Kreisebene eine Initiative zur Lösung des immer dringlicher werdenden Fachkräfteproblems anstoßen. Auf der nächsten Konferenz aller Bürgermeister mit dem Landrat soll darüber gesprochen werden, wie der Kreis mit seinen Berufsbildungszentren junge Menschen für den Erzieherberuf begeistern und ausbilden kann. Es gebe immer mehr Träger, sagt Breuer, die für die wachsende Zahl von Einrichtungen kaum noch ausgebildetes Personal finden.
Mit diesem Doppelschlag will Breuer den durch das neue Kinderbildungsgesetz des Landes (Kibiz) entstandenen Schwung aufnehmen und dazu benutzen, die Beitragsfrei- heit zu erreichen. Die soll nach dem Willen der SPD und ihres Fraktionsvorsitzenden Arno Jansen nicht nur für Kitas gelten, sondern auch auf die Kindertagespflege ausgedehnt werden. Die Chancen dazu waren nie besser, zumal die schwarz-grüne Koalition im Stadtrat unter dem Eindruck des Kibiz die„wagenburg“verlassen hat, in die sie sich bei der Gebührendebatte zuletzt zurückgezogen hatte.
Das Land will den Kommunen ab dem Kindergartenjahr 2020/21 jährlich eine Milliarde Euro für die Verbesserung der Kita-betreuung zur Verfügung stellen. Zu dem bereits beitragsfreien letzten Kindergartenjahr soll damit ein weiteres Jahr Betreuung kostenfrei werden. Die Ratskoalition von CDU und Grünen, die sich während der Etatberatung noch im Dezember gegen eine Veränderung der erst 2016 angepassten Kita-gebühren ausgesprochen hatte, hat schon am Dienstag angekün- digt, noch ein Jahr drauf zu legen:„ü 3“– kostenfrei. Wenn es finanziell darstellbar wäre, auch auf Elternbeiträge für die Kinder unter drei Jahren verzichten zu können, sei er der Letzte, der sich dann dagegen aussprechen würde, betont der Grünen-vorsitzende Michael Klinkicht.
Den neuerlichen Haken, den die Koalition mit ihrer Argumentation schlägt, nimmt der politische Gegner mit Häme und Verärgerung auf. Von „absurdem Theater“ spricht Reiner Breuer, während Manfred Bodewig noch deutlicher wird. Er spricht von einer „politischen Scheinheiligkeit der Koalition sondergleichen“. Vor sechs Wochen sei sie noch generell gegen eine Entlastung der Eltern gewesen, obwohl FDP wie auch die SPD Modelle vorgelegt haben, die zunächst nur ein Einstieg in die Beitragfreiheit hätten sein sollen. Eben genau das, was CDU und Grüne jetzt mit Hinweis auf das Land vorschlagen.
Die FDP ist von einer generellen Beitragsfreiheit noch nicht überzeugt.wenn etwas nichts koste, löse das vielleicht eine nicht mehr beherrschbare Nachfrage aus, so Bodewigs Befürchtung. Roland Sperling (Linke) dagegen glaubt, dass der Schritt von einem kostenlosen„ü 3“zur generellen Beitragsfreiheit nur noch ein kleiner ist. „80 Prozent der Kinder in den Kitas sind schon über drei Jahre alt, nur zwanzig Prozent jünger“, sagt er. Ziehe man davon noch die Kinder aus den Familien ab, die aus sozialen Gründen keine oder nur geringe Eigenanteile zahlen, blieben vielleicht noch zehn Prozent über, so seine Rechnung.