Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dem Wilden Westen auf der Spur

Der Neusser Wolfgang Dicke (76) besitzt eine Vielzahl historisch­er Waffen, die im Wesentlich­en aus der amerikanis­chen Pionierzei­t stammen. Doch nun bedroht eine mögliche Gesetzesän­derung Teile seiner Sammlung.

- VON SIMON JANSSEN Karlhans Pfleiderer, Neuss

An die Bevölkerun­g - die belgische Besatzung in Neuss 1918-1926, How to See (What Isn‘t There), Ihrer Zeit voraus!, Julia Lohmann - auch Wasser, Kurs bei der VHS?, SPOT ON - Technik, Bodo Wartke - Antigone, Menschen im Hotel, Brainwalki­ng: „Gedächtnis­training, das bewegt“, KUNSTPAUSE, LESEBÄR 2019, NEUSS Mitte Mai soll es endlich wieder losgehen. Mit seiner Frau und einem befreundet­en Ehepaar möchte sich Wolfgang Dicke auf den Weg nach Denver (Colorado) machen. „Mitten in die Rocky Mountains“, sagt er. Die Stimme des 76-Jährigen bekommt einen melancholi­schen Unterton, wenn er von seinen Erlebnisse­n auf den Rundtouren berichtet. Eine neue Bescheiden­heit habe er in der mächtigste­n Bergkette Nordamerik­as gelernt. „Wenn Sie auf den Pässen stehen und von dort aus in die Ferne schauen, dann sehen Sie Wildnis. Sie wissen nicht mehr, wo die Erde endet und wo der Himmel beginnt, weil es in der Ferne beginnt zu flimmern“, sagt der Neusser. In diesen Momenten fragt er sich: „Wer bin ich eigentlich auf dieser Welt?“Wolfgang Dicke ist ein Romantiker.

Nicht nur an schier unendliche Us-amerikanis­che Gebirgslan­dschaften verlor der ehemalige Bundesgesc­häftsführe­r der Gewerkscha­ft der Polizei sein Herz, sondern auch an die Geschichte­n, deren Schauplatz sie waren. Schon als Kind schmökerte der damals kleine Wolfgang in Karl-mayBüchern und verliebte sich in die Schilderun­gen des Wilden Westens. Später belebten staubige Filme mit John Wayne, James „Jimmy“Stewart oder Kirk Douglas seine Fantasie. Im Laufe der Jahre entwickelt­e er wickelt. Ich bin der Meinung, dass die Neusser Öffentlich­keit diese Statements kennen sollte, da sie für das künftiges Verkehrsko­nzept der Innenstadt von erhebliche­r Bedeutung sein können. Diese betreffen die Verkehrsfü­hrung wie folgt: Die Drususalle­e sollte nur als Fußgänger- und Fahrradver­bindung vom Stadtgarte­n in Richtung Sebastianu­sstraße ausgebilde­t werden (mit Anliefermö­glichkeite­n für Läden und Anwohner). Die Sebastianu­sstraße wird als autofreie Fußgängerz­one gesehen, das heißt Einkaufsbe­reich und Gastronomi­e in voller Breite (mit Anlieferun­g plus ÖPNV). Über Büchel und Markt sollte der Anschluss für „Neuss an den Rhein“über den noch zu gestaltend­en Wenderspla­tz und das Rennbahnar­eal erfolgen. vor allem für die Waffen im Wilden Westen eine besondere Faszinatio­n – wie die 1892er-winchester als klassische­r Cowboy-carabiner. Seine Faszinatio­n wuchs so stark, dass er mittlerwei­le im Besitz einer Vielzahl historisch­er Waffen ist, die im Wesentlich­en aus der amerikanis­chen Pionierzei­t stammen. Hinter der Tür eines speziell gesicherte­n Raumes verbirgt sich sein eigenes kleines Museum. Auf diesen paar Quadratmet­ern kann man Geschichte in den Nasenflüge­ln spüren. Sie riecht offenbar nach altem Leder und Holz. An der Wand hängen etliche Colts und Gewehre. Geschmückt ist der Raum mit Holstern, Lederbekle­idung, Hüten, Hemden. Alles original. Teilweise zwischen 130 und 140 Jahre alt. Es ist nicht die Waffe an sich, die Dicke interessie­rt. Nicht die Technik und die Leistungss­tärke. Vielmehr ist es ihre Geschichte. Den Experten interessie­renverwend­ung, die Herstellun­g, die Lebensverh­ältnisse in den Fabriken während der beginnende­n Industrial­isierung.

Vorsichtig, mit weißen Handschuhe­n, um keine Flecken zu hinterlass­en, holt Dicke einen glänzenden Revolver aus dem Jahr 1923 hervor. „Ungeschoss­en“, sagt er. Dabei handelt es sich um die Waffe eines ehemaligen Texas Rangers. Für diesen war der Colt lediglich eine Art Schmuckstü­ck. „Er trug ihn nur, wenn er am Sonntagnac­hmittag ausging“, sagt Dicke schmunzeln­d. Um die Waffe, die in seinen Händen liegt, mit Leben zu füllen, begab sich Dicke auf Spurensuch­e, war dreimal in Texas und fand heraus, dass der frühere Besitzer des funkelnden Colts zuerst Ranger, dann ein Zollbeamte­r war und am Rio Grande an der Grenze zu Mexiko nebenbei noch eine Zinober-mine betrieb, ehe er 1923 Captain wurde. In einem Ordner hat Dicke alles dokumentie­rt. Er forsch

te in Ran- ger-museen, sammelte Fotos, wertete Lohn-listen aus, bis sich die Puzzle-teile letztendli­ch zu einem Bild zusammenfü­gten. Nun hält Dicke nicht nur einen glänzenden Colt mit weißem Griff in den Händen, sondern ein Stück Identität Doch wie das in Hollywood-filmen so ist, läuft nicht immer alles glatt. Denn nun sind Teile von Dickes Sammlung bedroht. Grund ist ein seit Mitte Januar dieses Jahres vorliegend­er Referenten-entwurf des Bundesinne­nministeri­ums eines dritten Waffenrech­tsänderung­sgesetzes. Darin werden bestimmte Waffengrup­pen neu sortiert, und zwar nach Vorgabe der Eu-richtlinie zum Waffenrech­t, die nun in nationales Recht überführt werden soll. Die entscheide­nde Änderung in dem Entwurf, über die Dicke nur den Kopf schütteln kann: Seit Inkrafttre­ten des Bun- deswaffeng­esetzes 1972 als historisch bedeutsam eingestuft­e Gewehre mit Röhrenmaga­zin mit mehr als elf Schuss (typischerw­eise Winchester-gewehre, wie sie aus jedem Western bekannt sind) sollen künftig als potentiell­e Terroriste­nwaffen verboten werden. Der bisherige Besitz soll zwar weiter erlaubt sein, doch einverkauf ist dann nicht mehr möglich, vererben auch nicht. „Das käme einer Enteignung gleich“, sagt Dicke.

Das eklatantes­te Beispiel: Das sogenannte Henry-gewehr, das die von Karl May kreierte Cowboy-figur Old Shatterhan­d führte und in Deutschlan­d bekannt machte, gilt als Vater aller späteren Winchester-gewehre. Das „Henry“wurde von 1861 bis 1866 gefertigt, etwa 12.500 Stück. Es fasst in seinem Röhrenmaga­zin 16 Schuss, würde also künftig zur Terroriste­nwaffe. Eingericht­et ist das Henry-gewehr für die Randfeuerp­atrone„.44 Henry Rim Fire“. Heute kostet eine Original-patrone um die 100 Euro, volle Schachteln aus einem Fertigungs­jahr um 1900 zwischen 1500 Euro, bis zu 25.000 Dollar aus der Zeit Mitte der 1860er Jahre. Diewaffe selbst wird in den USA je nach Zustand zwischen 30.000 und 100.000 Dollar gehandelt. Dicke hat in seiner seit 1972 geführten Sammlung ein ganz besonderes Stück: Es Definition Der Begriff Wilder Westen ist eine doppelt verwendbar­e Bezeichnun­g für ein geographis­ches Gebiet der USA und für einen Zeitabschn­itt des 19. Jahrhunder­ts. Mythos Der „Wilde Westen“wurde auch durch die späteren Hollywood-filme wie „Der Schwarze Falke“geprägt. Manche Darstellun­gen entspreche­n jedoch nicht der Realität. gehört zu den 1731 Exemplaren, die die Us-regierung im Amerikanis­chen Bürgerkrie­g zwischen 1861 und 1865 für Nordstaate­n-truppen kaufte. Zur größten Order über 800 Gewehre gehört sein Henry-gewehr. Aus dieser Lieferung seien zur Zeit weltweit noch rund 150 Stück bekannt. „Meine Waffe ist eine von diesen ,überlebend­en‘“, sagt Dicke. Ihr Wert: etwa so viel wie ein Mittelklas­se-pkw. „Und jetzt soll sie zur Terroriste­nwaffe werden“, sagt Dicke. Doch auch weitere Stücke seiner Sammlung wären von dem neu geordneten Gesetz betroffen. Der Schaden betrüge rund 60.000 Euro. „Ganz offenkundi­g hat an dem Entwurf niemand mitgearbei­tet, der auch nur rudimentär­e waffenhist­orische Kenntnisse hat“, sagt Dicke.

Doch noch gibt es eine Chance. Denn der Referenten-entwurf ist wurde jetzt an die Fachverbän­de verschickt, die dazu Stellung nehmen können. Bei einem Verband hat der 76-Jährige bereits Alarm geschlagen. Lassen sich die Beamten des Innenminis­teriums überzeugen, wird der Referenten-entwurf geändert, ehe er in den Bundestag geht. Nimmt dieser jedoch keine Änderungen mehr vor, dann würden einige historisch­e Waffen von Dicke früher oder später im Hochofen enden. Das wäre für Dicke ein Wild-west-streifen mit dramatisch­em Ausgang.

Sollte dem jetzigen Entwurf tatsächlic­h zugestimmt werden, behält sich Wolfgang Dicke vor, sich an die Bundestags­abgeordnet­en des Rhein-kreises zu wenden.

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FOTOS: STANIEK/JASI(2) Wolfgang Dicke – hier mit dem „Henry“-gewehr – sammelt seit 1972 historisch­e Waffen. Kaum noch zu bekommen: Patronen des Typs „.44 Henry Rim Fire“.
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