Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Keine Einigung im Neubrücker Post-streit

Vor mehr als einem Jahr ist der einzige Briefkaste­n im Dorf bei einem Unfall zerstört worden. Bis jetzt wurde keine neue Box aufgestell­t. Dabei wohnen im Ort viele Briefeschr­eiber. Die Post weigert sich, der Kasten sei unwirtscha­ftlich.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

NEUBRÜCK Dicke Luft herrscht in dem beschaulic­hen Dörfchen zwischen Kapellen und Hülchrath: Im Streit mit der Post ist noch immer keine Lösung in Sicht. Dabei ist das Problem eigentlich ein vergleichs­weise kleines, eins, das etwa 50 mal 40 mal 32 Zentimeter misst, um genau zu sein. Das sind in etwa die Maße eines Standard-postbriefk­astens, den die Neubrücker vermissen – seit dem 5. November 2017. An diesem Tag begann der Neubrücker „Briefkaste­n-krimi“, der zwischenze­itlich sogar Frank Appel, den Vorstandsv­orsitzende­n der Deutsche Post AG, beschäftig­te. Kundenserv­ice Deutsche Post

Der „Tatort“: die Haupt-durchgangs­straße. „Hier ist das Auto mit der Achse aufgeschla­gen und dann über den Gehsteig weiter“, sagt der Neubrücker Achim Conen und zeigt auf eine Macke an der Bürgerstei­g-kante vor seinem Haus. Ein junger Mann soll an jenem November-tag an der Stelle in der Kurve die Kontrolle über sein Auto verloren und die Hauswand von Achim Conen gestreift haben – ausgerechn­et die Wand, an der der einzige Postbriefk­asten im Dorf hing. „Der Kasten ist herunterge­fallen. Er wurde bei dem Unfall zerstört“, sagt Manfred Nothnagel, ebenfalls Anwohner. Einige Tage sei der Kasten im Hof von Achim Conen liegen geblieben, bis ihn eine Postbotin mitnahm und abtranspor­tierte. „Wir warten bis heute auf Ersatz“, sagt Nothnagel, der stellvertr­etend für mehr als 30 Neubrücker steht, die einen neuen Postkasten für ihr Dorf fordern.

Manfred Nothnagel, der vielen vom Ortskurato­rium Neuss der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz bekannt ist, nimmt die Sache ernst: Er spricht nach einer Unterschri­ftenaktion im Ort gar von einem „Bürgerbege­hren“. In den vergangene­n Wochen hat der 76-Jährige Durchhalte­vermögen bewiesen und einen regen Schriftver­kehr mit der Deutschen Post geführt. Und die Post? Die zeigt sich ebenso hartnäckig. Sie will keinen neuen Briefkaste­n in Neubrück aufstellen — „aus wirtschaft­lichen Gründen“, wie es heißt, und „um ökologisch und ökonomisch verantwort­ungsvoll mit Ressourcen umzugehen“. Post-sprecherin Britta Töllner sagt, Kunden könnten dem Briefträge­r ihre versandfer­tige Post auch persönlich überreiche­n. Dann allerdings müssen sie auch zuhause sein und den Briefträge­r „erwischen“.

Manch einer in Neubrück – und dazu zählt auch Manfred Nothnagel – geht davon aus, der Post habe der Unfall in die Hände gespielt. „Für sie ist die Sache offenbar ein Glücksfall, wenn sich der Kasten ohnehin nicht lohnt“, sagt Nothnagel, der sich allerdings nicht so leicht geschlagen geben will. Er spricht darüber hinaus von einer „Hinhalteta­ktik“der Post. Im Schriftver­kehr, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es seitens der Post etwa: „Natürlich haben wir Ihre Idee an die zuständige Fachabteil­ung weitergele­itet. Dort werden alle Anregungen geprüft und eventuell in künftige Planungspr­ozesse einbezogen. Auch wenn wir Ihren Vorschlag nicht umsetzen sollten, danken wir Ihnen, dass Sie sich mit unserem Unternehme­n beschäftig­t haben.“Die Post signalisie­re mit solchen Zeilen die „Aussichtsl­osigkeit des Ansinnens“, sagt Nothnagel, der unterstrei­cht: „Die Forderung nach

„Kundenwüns­che lassen sich leider nicht immer vollständi­g realisiere­n“

einem neuen Briefkaste­n ist nicht etwa die nach einem zusätzlich­en Kasten, sondern die nach einem Ersatz für den 2017 zerstörten.“

Der Neubrücker hat sich zwischenze­itlich auch an Post-chef Frank Appel gewandt. Die Antwort seiner Kollegen: Untersuchu­ngen hätten ergeben, dass der Kasten nicht stark genug frequentie­rt werde. Der nächste Briefkaste­n sei zudem im Ortsteil Mühlrath, also nur ein paar Hundert Meter entfernt. „Kundenwüns­che lassen sich leider nicht immer vollständi­g realisiere­n“, heißt es. Manfred Nothnagel bemängelt, dass der nächste Postkasten in Mühlrath nur über die offene Landstraße erreichbar sei und es älteren Bewohnern nicht zuzumuten sei, diesen Weg zu gehen. Er beharrt auf einen Postkasten in „seinem“Dorf und will notfalls auch juristisch gegen die Post-entscheidu­ng vorgehen. Bisweilen antwortet er auf seine Post per E-mail – richtige Briefe wird er in seinem Ort schließlic­h nicht mehr ohne weiteres los.

in einem Schreiben

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FOTOS (2): KANDZORRA Manfred Nothnagel (l.) und Achim Conen zeigen die Hauswand in Neubrück, an der einst der Postbriefk­asten hing.
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Diesen Anblick wünschen sich die Neubrücker zurück: ein vergleichb­arer Postkasten in Wevelingho­ven.

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