Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In Reimform auf den Spuren von Antigone

Bodo Wartke adaptiert den Stoff von Sophokles mit viel Wortwitz und mitreißend­er Musik. Unterstütz­t wird er von Melanie Haupt.

- VON HANSGEORG MARZINKOWS­KI

NEUSS Wenn zu einem echten Highlight Besucher von Siegburg und Bonn bis Aachen und Heinsberg die Neusser Stadthalle aufsuchen, bilden sich lange Schlangen vor dem Parkplatz. „Wir weisen schon im Internet auf die schwierige­n Parkverhäl­tnisse in Neuss hin“, sagt Andreas Röhlen vom Veranstalt­er „Meyer-konzerte“. Dennoch begann dievorstel­lung„antigone“der Tragödie zweiter Teil im fast voll besetzten Saal der Stadthalle pünktlich. Nach seinem Ein-mann-theater„könig Ödipus“im vergangene­n Jahr brachte der Musikkabar­ettist und Schauspiel­er Bodo Wartke (41) nun die Fortsetzun­g „Antigone“(älteste Tochter des Ödipus) auf die Bühne.

Wiederum adaptiert er die von Sophokles dramatisie­rte Sage in einer Neudichtun­g mit viel Witz auf hohem Niveau, platziert mitreißend­e Musiktitel zum Text und spielt gleich neun Rollen. Diesmal ist aber auch die Kabarettis­tin und Schauspiel­erin Melanie Haupt (44) dabei, die immer mal wieder Gast „bei meinem liebsten Kollegen Bodowartke“in seinen Klavierkab­arett-programmen ist. Sie spielt gleich 13 Rollen, singt vor allem phantastis­ch – „Ja, so war mein Vater!“– und legt einen hinreißend­en Stepptanz aufs Parkett. Mit ihrer Ukulele ergänzt sie kongenial den virtuosen Pianisten und Mundharmon­iker Bodowartke.

Antigone begleitet ihren erblindete­n Vater nach Athen, sie sehen den Koloss von Rhodos, Bodo Wartke reimt: „Ich schlage vor, wir machen ein paar Foddos! Debakel reimt sich auf„oh-rakel von Delphi, das kann helfi“, der Seher Teiresias wird begrüßt mit„buenos Dias!“König Kreon von Theben betont hartnäckig „Antigóone, denn wir sagen ja auch Antílope“. Pausenlos erheitern heftige Wortspiele­reien das Publikum vom Gymnasiast­en bis zum „Silver-surfer“: Ganz sicher ist diese humorvolle Neudichtun­g ein wunderbare­r Einstieg in einen zu Recht berühmten Sagenstoff, besonders für Schüler. Tipp: Text besorgen – liegt als Taschenbuc­h vor -, Rechte klären und im Ensemble der The- ater-ag einstudier­en. Köstlicher Spaß ist garantiert.

Den „König Ödipus“haben bereits renommiert­e Theater in Bodo Wartkes Neufassung aufgenomme­n. Erstaunlic­h: Der neue Text und aktuelle Bonmots nehmen dem anti- ken Stoff nicht die Tragik: Nach der Schlacht um Theben („Die Mauer muss weg!“) darf Antigone ihren gefallenen Bruder Polyneikes nicht bestatten, weil er Theben verraten hat. Sie glaubt an die Götter und einweiterl­eben nach dem Tode, nur ein ge- bührend bestattete­r Bruder kann im Jenseits den Seelenfrie­den finden. Also begräbt sie ihn, und wird zum Tod verurteilt. Immer wieder unterbrech­en die Songs das Drama mit ausgelasse­ner Heiterkeit. Der Retter Athens wird aufgeforde­rt „Theseus, spann den Faden an!“Erstmals tritt Lucy, das Schaf, als Minotaurus auf, Nein, sie ist kein Stier, der hat nämlich eine„schaftable­tte genommen“.

Und weil die Tragödie bis zum Ende gespielt wird, gerät der zweite Teil ein wenig lang, entschädig­t aber durch tolle Lieder. Antigones Zeit läuft ab, eine Litanei der Priester will sie retten, „Lass sie frei“und in der modernen Version „Freedom!“. Kreon aber ist nicht zu erweichen, Antigone zieht den Suizid dem lebendig eingemauer­trn Sein vor. Ein Happy-end gab es dann allerdings durch den langen Beifall der Zuschauer die den beiden Akteuren schließlic­h stehend Beifall spendeten.

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FOTO: SVEN SCHÜTZE Im Stück „Antigone“wird Bodo Wartke (l.) von Melanie Haupt unterstütz­t. Er spielt neun, sie sogar 13 Rollen.

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