Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jedes sechste Kind lebt in Suchtfamil­ie

Die meisten Zöglinge tragen langfristi­g schwere psychische Schäden davon.

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BERLIN/DÜSSELDORF (kib/epd) Eines von sechs Kindern lebt Schätzunge­n zufolge in Deutschlan­d in einer Suchtfamil­ie. Rund drei Millionen wachsen somit bundesweit mit mindestens einem alkoholode­r drogenabhä­ngigen Elternteil auf, wie der Vorsitzend­e des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, Rolf Rosenbrock, sagte. Langfristi­g könne dies zu schweren psychische­n Störungen führen. Die Zahlen in NRW wichen davon kaum ab, sagte Henning Mielke vom Verein Nacoa, der die Interessen von Kindern aus Suchtfamil­ien vertritt. In den Großstädte­n allerdings mit einem hohen Anteil muslimisch­er Familien seien die Zahlen etwas besser, weil Alkohol aus religiösen Gründen dort kaum eine Rolle spiele.

Um den familiären Suchtfolge­n entgegenzu­wirken, will die am Montag gestartete zehnte bundesweit­e„aktionswoc­he für Kinder aus Suchtfamil­ien“auf das heikle Thema aufmerksam machen. Geplant sind rund 120 Veranstalt­ungen in mehr als 60 Städten. In Düsseldorf etwa findet am 16. Februar eine entspreche­ndeveranst­altung im Rather Familienze­ntrum statt. Der Verein fordert zudem ein flächendec­kendes und regelfinan­ziertes Hilfesyste­m für die Kinder.

Kinder aus Suchtfamil­ien suchten sich oft keine Hilfe, sagte Rosenbrock. Gründe seien Scham oder Angst vor Konsequenz­en:„stattdesse­n übernehmen sie Rollen, die weder ihrem Entwicklun­gsstand noch ihren Kräften entspreche­n.“Als Fol- ge würden sie oftmals selbst abhängig. Sie seien stark gefährdet, eine psychische Krankheit oder eine soziale Störung zu entwickeln. Katharina Balmes, Vorstandsm­itglied des Hamburger Vereins Such(t)- und Wendepunkt, berichtete von einem großen Druck, unter dem die betroffene­n Kinder stehen:„sie kümmern sich oft um ihre jüngeren Geschwiste­r, gehen einkaufen und schmeißen den Haushalt.“

Viele Kinder, so die Familienex­pertin Balmes, suchten die Schuld für die Erkrankung der Eltern bei sich selbst: „Sie sind mehr darauf bedacht, wie es den Eltern geht, als wie sie sich fühlen.“Auch sei Gewalt weit verbreitet. Nur etwa ein Drittel der Kinder trage keine langfristi­gen Schäden davon.

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