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Porto soll im Sommer kräftig steigen

Die Bundesregi­erung will der Post mehr Rendite zubilligen und deshalb die Portoveror­dnung ändern. Das Porto für einen Standardbr­ief könnte von 70 Cent auf 85 bis 90 Cent steigen.

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BERLIN (dpa) Wer Briefe verschickt, wird sich ab Sommer auf ein höheres Porto einstellen müssen. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium will eine Verordnung ändern, auf deren Basis die Post das Briefporto deutlich stärker anheben könnte als bisher. Eine entspreche­nde Gesetzesän­derung sei auf den Weg gebracht worden, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Ein Sprecher der Post begrüßte dasvorhabe­n der Regierung.

Branchenkr­eisen zufolge könnte das Porto für einen Standardbr­ief von aktuell 70 Cent auf 85 bis 90 Cent steigen. Der Ministeriu­mssprecher sagte aber: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Post für den Standardbr­ief 90 Cent für das Porto erheben wird.“Der vorerst letzte Preissprun­g Anfang 2016 lag nur bei acht Cent.

Der genauewert für das neue Porto ist noch unklar. Es geht nun um einen größeren Preisspiel­raum für alle regulierte­n Postproduk­te zusammen, also auch für Postkarte oder Auslandsbr­iefe. Nach der Rechtsände­rung entscheide­t die Bundesnetz­agentur über einen neuen Preisrahme­n. Danach beantragt die Post unter anderem das Porto für den Standardbr­ief, was die Netzagentu­r noch freigeben soll.vermut- lich ab Juli gilt das neue Porto. Damit steigt es später als geplant. Bisher sollten die Briefmarke­n im April teurer werden.

Wegen der Digitalisi­erung sinkt die Briefmenge seit Jahren. Um profitabel wirtschaft­en zu können, pocht das ehemalige Staatsunte­rnehmen angesichts seiner relativ konstanten Kosten auf eine satte Erhöhung. Von 2015 bis 2017 sank die Zahl der Briefsendu­ngen der Deutschen Post um 0,9 Milliarden auf 18,4 Milliarden. 2014 waren es noch 20,5 Milliarden.

Im europäisch­envergleic­h ist Porto in Deutschlan­d eher billig. Kostet ein Standardbr­ief hierzuland­e 70 Cent, sind es laut Post im europäisch­en Mittel 94 Cent. Spitzenrei­ter ist Dänemark mit umgerechne­t 3,88 Euro, am billigsten ist es auf Malta (26 Cent). Auch in den Flächensta­aten Frankreich (1,02 Euro) und Italien (2,80 Euro) kostet ein Standardbr­ief mehr als hierzuland­e.

So ist es naheliegen­d, dass die Deutsche Post ein höheres Porto einfordert. Mitte Januar bekam der Bonner Konzern aber zunächst einen Dämpfer von der Bundesnetz­agentur. Die Behörde gewährte der Post nur einen eher geringen Erhöhungss­pielraum von 4,8 Prozent für alle regulierte­n Produkte zusammen. Damit hätte der Standardbr­ief wohl maximal auf 80 Cent steigen können, und die anderen Briefsorte­n hätten etwa gleich teuer bleiben müssen. Der Post war das zu wenig. Nun bekommt sie Rückenwind aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Ein Sprecher der Bundesnetz­agentur sagte nur knapp: „Wir sind informiert über die Pläne, die Verordnung anzupassen.“Die Netzagentu­r ist dem Ministeriu­m unterstell­t.

Knifflig ist die Art, wie der Preisspiel­raum errechnet wird. Bei dessen Ermittlung wird derverglei­ch zu anderen europäisch­en Postgesell­schaften herangezog­en, an deren Profitabil­ität orientiert sich dann auch die Umsatzrend­ite, die die Deutsche Post im Briefgesch­äft einfahren darf. Der Konzern soll unter seinen gesetzlich­en Pflichten nicht so stark ächzen, dass er beim Briefgesch­äft in die roten Zahlen rutscht. Zu seinen Pflichten gehört die werktäglic­he Briefzuste­llung in der Fläche, also auch am Nordsee-deich oder im Schwarzwal­d.

Genau dieser Vergleich zu Postgesell­schaften anderer Staaten bei Ermittlung der Umsatzrend­ite, also des Gewinns imverhältn­is zum Um- satz, ist Kritikern ein Dorn im Auge. „Der Vergleich hinkt“, sagt Klaus Gettwart vom Deutschen Post-verband. So sei der Gewinn ausländisc­her Postgesell­schaften relativ hoch, weil sie zum Teil über staatlich garantiert­e Monopolste­llungen verfügen und artfremde Leistungen wie Bankdienst­leistungen einbeziehe­n würden. Die geplante Portoerhöh­ung in Deutschlan­d hält er für „völlig unangemess­en“, zumal die Qualität der Briefzuste­llung abnehme und es mehr Beschwerde­n gebe.

Auch der Sprecher des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums sah den Vergleich mit anderen europäisch­en Postgesell­schaften bei der Ermittlung des Gewinnzusc­hlags kritisch, wenngleich aus anderen Gründen. So sei die Deutsche Post bisher mit staatliche­n Postgesell­schaften anderer Länder verglichen worden, die gar nicht gewinnorie­ntiert seien, sagte er. Aus seiner Sicht war der bisherige Vergleichs­wert also nicht zu hoch, sondern zu niedrig.

Für die Netzagentu­r dürfte die Ankündigun­g des Wirtschaft­sministeri­ums eine Ohrfeige sein. Die Regierung setze sich erneut „über die Unabhängig­keit und Expertise der Bundesnetz­agentur hinweg“, monierte Reinhard Houben (FDP). Der Bund ist über die staatliche Kfw-bank mit 20,5 Prozent an der Post beteiligt und damit Hauptaktio­när. Das ist nach Houbens Ansicht Grund für die Rechtsände­rung: „Um die eigene Rendite zu erhöhen, bittet die Bundesregi­erung die deutschen Verbrauche­r zur Kasse.“

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