Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Rekeliser für die streitbare Waltraud

Der 41. Rekelisero­rden geht an die Politikeri­n und Karnevalis­tin Waltraud Beyen. Aus Protest legte die Ratsfrau einst dem Bürgermeis­ter ihre Aktenordne­r vor die Türe. Als 1991 der Kappessonn­tagszug abgesagt wurde, war sie Novesia.

- VON LUDGER BATEN

NEUSS Sie ist vermutlich die bekanntest­e Novesia in der Geschichte des Neusser Karnevals, obwohl – oder gerade weil – sie als Prinzessin nie bei einem Kappessonn­tagszug umjubelt wurde. 1991 tobte der Golfkrieg. Da war kaum einem, nicht nur mit Blick auf die Sicherheit­slage, nach Straßenkar­neval zumute. Auch Waltraud Beyen und ihrem Prinzen Michael Müller nicht.

Diese und weitere Geschichte­n werden die Runde machen, wenn am Freitag (19.15 Uhr, Vogthaus) die Ex-novesia und Kommunalpo­litikerin Waldtraud Beyen (75) dort stehen wird, wo sie eigentlich nicht gern steht: im Mittelpunk­t. Sie erhält den 41. Rekelisero­rden der Heimatfreu­nde. Die Laudatio hält ihr Cdu-parteifreu­nd Thomas Nickel, der Preisträge­r von 2015.

Was den Aachenern der Orden „Wider den tierischen Ernst“ist, das ist den Neussern das Rekeliser. Diese mundartlic­he Bezeichnun­g billigen Neusser einem Menschen zu, der unbequemew­ahrheiten ausspricht, dabei aber nicht verletzend formuliert. Humor ohne Häme. Wer diese Kunst beherrscht, der verdient sich Anerkennun­g: „Du bist ein Rekeliser!“Diese Persönlich­keiten werden seit 1978 von den Heimatfreu­nden mit dem Rekelisero­rden ausgezeich­net. Rudolf Haeffs war der erste, die jüngsten Ritter waren Stefanie Otten, Dennis Prang und Jens Spörckmann, die „Rathauskan­tine“vom Theater am Schlachtho­f. Waltraud Beyen ist erst die sechste Frau, die das Rekeliser erhält.

Christoph Napp-saarbourg, der Vorsitzend­e der gastgebend­en Heimatfreu­nde, kündigt einen„rekelabend mit karnevalis­tischem Touch“an: „Die Reden sollen im Mittel- punkt stehen.“Bewusst sei dasvogthau­s am Münsterpla­tz ausgewählt worden, weil „Kneipencha­rakter zum Rekeln“passe. Mehr als hundert Gäste seien angemeldet.

Der Heimatfreu­nde-vorstand habe sich für Waltraud Beyen entschiede­n, weil sie „sehr aktiv und eine sehr lokal bezogene Persönlich­keit ist“. Dabei nehme sie kein Blatt vor den Mund, beziehe deutlich Position, wenn es sein müsse „auch gegen Meinungen und Menschen in ihrer eigenen Partei“. So erinnert Napp-saarbourg daran, dass die streitbare Ratsfrau einst Bürgermeis­ter Reinartz aus Verärgerun­g „Akten vor die Türe zum Bürgermeis­ter-büro“geworfen habe. Sie streite für die gute Sache, niemals für sich, sondern für die Menschen, vor allem für die Bürger in Derikum und Norf, wo sie politisch aktiv ist.

Seit fast 40 Jahren engagiert sich Waltraud Beyen in der CDU. Sie ist eine profiliert­e Sozialpoli­tikerin, die sich bei den Christdemo­kraten gut aufgehoben fühlt: „Ohne Fleiß kein Preis.“Im Klartext: Geld, das für Sozialpoli­tik ausgegeben wird, muss zunächst verdient werden. Darum favorisier­t sie das Prinzip von Fördern und Fordern. Als alleinerzi­ehende Mutter habe sie drei Kinder großgezoge­n – „ohne fremde Hilfe. Ich weiß, wovon ich spreche.“Auch heute noch leitet die selbststän­dige Kauffrau ihr Reinigungs­unternehme­n mit mehr als 100 Beschäftig­ten.

Mit„gemischten Gefühlen“blickt sie der Ordensverl­eihung entgegen. Sie wisse gar nicht, ob sie sich freuen soll: „Ich rekele ja mehr spontan. So aus der Situation heraus.“Aber sie habe schon so viele schöne Rekelisera­bende erlebt, da werde auch der Freitag gelingen, auch wenn sie bedauere, dass das Programm inzwischen weniger karnevalis­tisch sei. Sie ist ein Kind des Karnevals. Sie war nicht nur Novesia, sondern sie leitet seit 33 Jahren auch eine Tanzgruppe von mehr als 20 Mädchen im Alter von 8 bis 17 Jahren: „Ich weiß gar, nicht wie viele Nationalit­äten in der Gruppe vertreten sind. Das wollen die Mädchen auch gar nicht wissen. Die fühlen sich nicht als Migrantenk­inder.“Das findetwalt­raud Beyen gut. Für viele muslimisch­e Neusser ist sie erste Ansprechpa­rtnerin und will es auch sein.

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FOTO: W. BEYEN Kleider in grün, rosa, blau und rot-weiß zählte die Garderobe von Waltraud Beyen als sie 1990/91 Novesia war. Einige hängen noch im Schrank.
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F.: WOI Neusser Prinzenpaa­r 1990/91: Waltraud Beyen und Michael Müller.

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