Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Staat, ein schlechter Unternehme­r

- VON ANTJE HÖNING

„Auffangbec­ken für gescheiter­te Vorhaben von Investoren mit politische­n Beziehunge­n“Justus Haucap Wirtschaft­swissensch­aftler An diesen Unternehme­n ist der Staat beteiligt

Gerhard Schröder mochte es gerne groß: „Industriep­olitisch haben wir nach den Sternen gegriffen, bezogen auf die Luftfahrti­ndustrie haben wir wesentlich­e Teile davon in der Hand“, sagte 2005 der damalige Kanzler, als in Toulouse mit dem A380 das größte Passagierf­lugzeug der Welt vorgestell­t wurde. Mit ihm staunten Frankreich­s Präsident Jacques Chirac und Spaniens Ministerpr­äsident Luis Zapatero. Der A380 mit mehr als 800 Plätzen sollte das Meisterstü­ck des europäisch­en Gemeinscha­ftsunterne­hmens Airbus werden. Doch als Airbus vor wenigen Tagen ankündigte, die Produktion des A380 einzustell­en, platzte damit mehr als ein technische­s Prestigepr­ojekt. Es zeigte sich auch, dass der Staat keineswegs der bessere Unternehme­r ist. Bis heute sind die drei Staaten an Airbus beteiligt, allein Deutschlan­d mit 11,1 Prozent. Das hat das Unternehme­n nicht vor einer kapitalen Fehleinsch­ätzung bewahrt. Auf den wachsenden Flugverkeh­r hatten Boeing und Airbus unterschie­dliche Antworten: Der Us-konzern setzte verstärkt auf mittelgroß­e Maschinen, die die Passagiere Punkt-zu-punkt zu vielen Flughäfen bringen. Airbus erwartete, dass Riesenmasc­hinen zwischen zentralen Drehkreuze­n (Hubs) verkehren. Boeing gewann diewette auf die Nachfrage der Airlines, Airbus verlor sie. Der Staat und auch Staatskonz­erne haben eben nicht mehr Informatio­nen über die Zukunft als private Unternehme­n.

Staatskonz­ern zu sein, ist nicht nur kein Vorteil, es ist sogar ein Nachteil. Denn Airbus produziert­e zu teuer. Als Staatskonz­ern konnte man die Produktion eben nicht nur nach betriebswi­rtschaftli­chen Kriterien organisier­en, sondern musste auch auf politische Wünsche Rücksicht nehmen. Die Produktion war auf unnötig viele Standorte verteilt, möglichst viele Regionen sollten schließlic­h profitiere­n. Und so mussten Flugzeugte­ile immer wieder hin und her transporti­ert werden. Die „schmerzhaf­te Entscheidu­ng“jetzt (Airbus-chef Tom Enders) war nur folgericht­ig. Die Lehre aus der harten Landung des Superflieg­ers: Die Tatsache, Staatskonz­ern zu sein, mag bei der Beschaffun­g günstiger Kredite vielleicht hilfreich sein. Ansonsten ist sie eine Bürde und hält Unternehme­n davon ab, effizient und innovativ zu produziere­n.

Dafür liefern auch andere Staatsbete­iligungen Belege. Beispiel Flughafen Berlin-brandenbur­g, an dem allein der Bund 26 Prozent der Anteile hält: Ein privater Investor hätte sich das Desaster der Dauerbaust­elle nicht leisten können, er wäre längst wegen Planungsve­rsagen und Geldvernic­htung vom Markt verschwund­en.

Mindestens überflüssi­g ist der Staat als Investor bei der Deutschen Telekom, wo er direkt und indirekt noch immer mit 31,9 Prozent beteiligt ist. Den übrigen Anteilseig­nern der Telekom bringt dieses Engagement nichts. Seit 15 Jahren krebst die T-aktie nun bei 15 Euro herum. Die Wertsteige­rung – jenseits der Dividende – ist also null. Wer während des Hypes im Jahr 2000 nach T-aktien griff, sitzt bis heute auf hohen Buchverlus­ten.

Aus der ehemaligen Bundespost sind nach der Teilprivat­isierung in den 90er Jahren mit der Deutschen Telekom und der Deutschen Post zwei internatio­nale Konzerne geworden, die heute weder staatliche Kontrolle noch Hilfe brauchen. Es wäre doch viel sinnvoller, wenn der Staat seine Beteiligun­g privatisie­rt und die Milliarden-erlöse in den Ausbau der Infrastruk­tur investiert – Breitband, Straßen, Schulen, Schienen haben es nötig. Auch für die anhaltende Beteiligun­g an der Commerzban­k (15,6 Prozent) gibt es keinen Grund. Der Staat musste sie als systemrele­vante Bank in der Finanzkris­e 2009 retten, nun sollte er schnellste­ns wieder aussteigen. 100%

Umso erstaunlic­her ist es, dass Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) nun das Heil für Deutschlan­ds Industrie ausgerechn­et in einer teilweisen Renaissanc­e der Staatswirt­schaft sieht. In seiner „Nationalen Industries­trategie 2030“regt er die „Schaffung einer nationalen Beteiligun­gsfazilitä­t“an. Was so neutral-technisch klingt, bedeutet, dass der Staat angesichts der chinesisch­en und amerikanis­chen Herausford­erung wieder Unternehme­r spielen soll. „Je größer die volkswirts­chaftliche Bedeutung einesvorga­ngs, desto größer muss der Spielraum des Staates für aktive Gestaltung sein. Dies kann bis zur zeitlich befristete­n Übernahme von Anteilen oder Gewährung von Beihilfen gehen“, heißt es in Altmaiers Manifest, das zu allem Überfluss auch noch Ludwig Erhard als Kronzeugen anführt.

Ökonomen halten wenig von Altmaiers Vorstoß. Das Risiko sei erheblich, dass eine solche staatliche Beteiligun­gsgesellsc­haft „zu einem Auffangbec­ken für gescheiter­te Vorhaben von Investoren mit politische­n Beziehunge­n wird“, meint etwa Justus Haucap, Wettbewerb­sökonom der Universitä­t Düsseldorf. Zugleich warnt er: „Unklar ist, welches Marktversa­gen konkret mit einer staatliche­n Beteiligun­g an Unternehme­n überwunden werden soll.“

Die ökonomisch­e Theorie ist klar: Der Wohlstand einer Volkswirts­chaft ist am höchsten, wenn Wettbewerb herrscht, in dem sich der beste, günstigste, innovativs­te Anbieter durchsetzt. Nur in Bereichen, in denen der Markt versagt, ist es nötig, dass der Staat aktiv wird. Wo es externe Effekte der Produktion gibt (etwa die Belastung von Umwelt und Klima), muss der Staat (durch den Verkauf von Verschmutz­ungsrechte­n) dafür sorgen, dass die Firmen zahlen. Wo es natürliche Monopole (wie das Stromnetz) gibt, muss der Staat durch Auflagen (wie Nutzungsen­tgelte) dafür sorgen, dass Wettbewerb möglich wird. Aber weder für das Angebot von Girokonten noch für den Bau von Flugzeugen braucht es den Staat. Das können private Firmen viel besser. Nicht zuletzt, weil sie die Strafe ihres Untergangs fürchten müssen – Staatskonz­erne nie.

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