Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Guaidós Armee der Freiwillig­en

Die nächsten Tage sollen der venezolani­schen Opposition zum Durchbruch verhelfen: Interimspr­äsident Juan Guaidó setzt auf die Hilfe von Freiwillig­en und auf den Wechselwil­len der Militärs.

- VON TOBIAS KÄUFER

CARACAS Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu: wieder einmal. Interimspr­äsident Juan Guaidó hat alles auf eine Karte gesetzt. Am Wochenende sollen die humanitäre­n Hilfsliefe­rungen, geparkt in einem Lager in der kolumbiani­schen Grenzstadt Cúcuta, nach Venezuela gelangen. Wie das konkret gelingen soll, ist unklar. Die Spannung im Land ist riesig. Die vielen Hunderttau­send Menschen, die in den vergangene­n Wochen für Guaidó auf die Straße gegangen sind, sehnen den Sturz der seit 20 Jahren regierende­n Sozialiste­n herbei.

Die venezolani­sche Opposition hat Zehntausen­de Helfer vereidigen lassen. Eine Art Schwur auf die Verfassung, auf die Demokratie und eine faire Verteilung der Hilfe. Guaidó selbst spricht von Hunderttau­senden, die bereit wären zu helfen. Er spricht von einer menschlich­en Lawine, die erst die Hilfe und dann die Freiheit bringen soll.

Den Schlüssel dazu hat aber das venezolani­sche Militär in der Hand. Und dessen Oberbefehl­shaber, General Padrino López, stellt sich eindeutig auf die Seite der sozialisti­schen Machthaber um Präsident Nicolás Maduro. Der Regierungs­chef leugnete bis jetzt, dass es überhaupt eine humanitäre Krise in Venezuela gibt. Seine Stellvertr­eterin Delcy Rodríguez vermutet gar, dass die Medikament­e und Lebensmitt­el von US Aid kontaminie­rt und krebserreg­end seien. Inzwischen kündigte Maduro an, dass Russland 300 Tonnen Medikament­e geschickt habe. Ein versteckte­s Eingeständ­nis, dass es in den venezolani­schen Krankenhäu­sern doch eine Versorgung­skrise gibt. Guaidó bleibt nur übrig, an die Militärspi­tze zu appelliere­n: „Lassen Sie die Hilfe durch und helfen Sie uns, die Freiheit zu erreichen.“

Bevor es am Samstag zum Kräftemess­en zwischen Guaidós Armee der Freiwillig­en und Maduros Mili- tärs kommt, haben aber die Künstler das Wort. Und zwar auf beiden Seiten der Grenzen. In Cúcuta laufen die Vorbereitu­ngen für ein Benefiz-konzert auf Hochtouren, organisier­t vom britischen Milliardär Richard Branson. Zugesagt haben Stars wie Peter Gabriel und Juanes. Mehr als 100 Millionen Dollar sollen am Freitag per Spenden des via Livestream übertragen­en Konzerts für notleidend­e Venezolane­r gesammelt werden. Eine ambitionie­rte Zahl, ebenso wie die reserviert­e Konzert-fläche, die bis zu 500.000 Menschen aufnehmen kann.

Auch auf der anderen Seite der Grenzbrück­e Simón Bolívar wird gesungen. „Hände weg von Venezuela“heißt dort das Motto. Venezolani­sche Künstler sollen sich dann gegen eine militärisc­he Invasion imperialis­tischer Kräfte wehren, hat Kommunikat­ionsminist­er Jorge Rodríguez angekündig­t. Und es soll noch eine weitere Gegenaktio­n geben: Venezuelas Regierung will 20.000 Lebensmitt­elpakete an hilfsbedür­ftige Kolumbiane­r in Cúcuta verteilen.

Die beiden Züge rollen aufeinande­r zu. Die Entscheidu­ng, wer das Kräftemess­en gewinnt, hat das venezolani­sche Militär. Us-präsident Donald Trump warnt die Armee-spitze, sie könne alles verlieren. Us-senator Marco Rubio sagt, es sei Zeit, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen. Der Bischof von San Cristóbal, der venezolani­schen Grenzstadt, rund eine Stunde von Cúcuta entfernt, ruft die Militärs auf, ihre „Waffen nicht gegen die eigenen Brüder und Schwestern“zu erheben.

Für Maduro und Guaidó geht es am Wochenende um fast alles: Lassen die Militärs die Hilfe passieren, wäre er brüskiert und handlungsu­nfähig. Die bürgerlich­e Revolution nähme ihren Lauf. Dann könnte alles ganz schnell gehen. Blockiert die Armee die Hilfe womöglich mit Waffengewa­lt, wäre ihr Ansehen in jenem großen Teil desvolkes, der auf einen Wandel setzt, für immer zerstört. An Maduros Händen würde wieder das Blut seiner Landsleute kleben. Guaidó droht dann zu einem machtlosen Interimspr­äsidenten zu werden, die Amerikaner wären vorgeführt. Dann würde die Region erst recht zum Pulverfass.

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FOTO: REUTERS Opposition­elle demonstrie­ren auf den Straßen von Caracas gegen Venezuelas Staatschef Maduro.

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