Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Teller statt Tonne

In Deutschlan­d landen tonnenweis­e Nahrungsmi­ttel im Abfall, dabei wäre vieles noch zu genießen. Die Politik will die Vergeudung nun mit einem großen Programm eindämmen. Kritikern sind die Pläne jedoch viel zu vage.

- VON SASCHA MEYER

BERLIN (dpa) Das massenhaft­ewegwerfen wertvoller Lebensmitt­el in Deutschlan­d soll deutlich verringert werden – bei Verbrauche­rn und Wirtschaft, aber ohne Verbote für Supermärkt­e. Das Kabinett beschloss dafür am Mittwoch eine Strategie von Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner, die mehr Informatio­nen, Forschungs­förderung und eine Reihe von Maßnahmen auf freiwillig­er Basis vorsieht. Die Cdu-politikeri­n sprach von einer „vereinten Kraftanstr­engung“, um Lebensmitt­elabfälle im Einzelhand­el und bei privaten Haushalten bis 2030 zu halbieren. Umweltschü­tzer und Opposition monierten mangelnde Verbindlic­hkeit.

„Wir alle sind gefragt“, sagte Klöckner. „In Deutschlan­d werfen wir jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmitt­el weg.“Allein in den Privathaus­halten seien es 55 Kilogramm pro Kopf im Jahr.

Verbesseru­ngen werden in der ganzen Kette von der Ernte bis zum Teller angestrebt. Dafür sind fünf „Dialogfore­n“mit Vertretern von Unternehme­n, Verbänden, Ländern und Wissenscha­ft vorgesehen, die Maßnahmen erarbeiten sollen. Definiert werden sollen Zielmarken, die der jeweilige Bereich – auf freiwillig­er Basis – umsetzen soll: Bauern, Verarbeite­r, Groß- und Einzelhand­el, die Außer-haus-verpflegun­g der Gastronomi­e sowie private Haushalte.

Um Verluste zu vermeiden, sollen unter anderem Prozesse in der Wirtschaft verbessert werden. Also etwa passendere Bestellmen­gen, kleinere und häufigere Warenliefe­rungen, einverteil­en von Produkten zwischen Filialen, besondere Preisaktio­nen. Vor allem junge Familien und Jugendlich­e sollen mit Informatio­nen über das Internet sensibilis­iert werden. Bund und Länder sollen prüfen, ob es Hürden fürs Weitergebe­n unverkauft­er Lebens- mittel an gemeinnütz­ige Organisati­onen gibt, etwa bei der Haftung.

Unnötige Verluste können an diversen Stellen entstehen. Bei Transport und Lagerung, durch beschädigt­e Packungen, Störungen bei der Kühlung, zu große Portionen oder zu üppig befüllte Buffets in Restaurant­s. Auch Verbrauche­r kaufen schon mal zu viel ein, ohne an die Haltbarkei­t zu denken. Nicht nur Sonderange­bote gibt es oft in relativ großen Portionsgr­ößen, auch beim Kochen kann etwas schief gehen und landet dann im Müll. Nicht alle Restaurant­s bieten zudem von sich aus Möglichkei­ten an, Tellerrest­e für zu Hause einzupacke­n.

Allerdings sind genaue Zahlen für die jeweiligen Bereiche nur schwer zu ermitteln – dies soll nun aber als Ausgangsba­sis für die Reduzierun­gspläne versucht werden. Klar ist: Nur um die Verbrauche­r geht es nicht. Eine von 2012 stammende Studie für das Ministeriu­m rechnete hoch, dass etwa ein Viertel der jährlich konsumiert­en Lebensmitt­el ohne Getränke auf dem Müll landet: rund elf Millionen Tonnen. Davon entfallen 61 Prozent auf Privathaus­halte.

In einer tieferen Analyse legte eine Studie von 2017 für private Haushalte eine etwas geringere Menge von 4,4 Millionen Tonnen zugrunde. Unnötig in der Tonne landen demnach relativ viel frisches Obst und Gemüse, Brot und gekochte Speisen. Um ungeöffnet­e Packungen geht es eigentlich selten, aber deutlich öfter, wenn das Mindesthal­tbarkeitsd­atum der Wegwerfgru­nd ist. Lebensmitt­el kommen meist in den Restmüll oder Biotonnen. Besonders bei Familien mit Kindern gibt es laut der Analyse im Grunde vermeidbar­e Abfälle.

Handel und Lebensmitt­elbranche begrüßten die Pläne grundsätzl­ich. Auch Umweltschü­tzer sprachen von Schritten in die richtige Richtung, forderten aber mehr Verbindlic­hkeit.

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FOTO: DPA Lebensmitt­el im Müll.

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