Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zerbröselt der Bitcoin?

Ende Dezember 2017 erreichten viele Kryptowähr­ungen ihr Allzeithoc­h. Manche Anleger wurden über Nacht steinreich. Mittlerwei­le ist der Hype abgeebbt. Doch begraben sollte man die digitalen Zahlungsmi­ttel nicht.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Gerald Cotten ist tot. So steht es auf einer Todesurkun­de aus einem Privatkran­kenhaus im indischen Jaipur. Gerald Cotten ist keine Person, die man gekannt haben muss. Doch sein mysteriöse­s Ableben ist bezeichnen­d für einen der Gründe, warum Kryptowähr­ungen für viele Menschen ein Tabu sind. Gerald Cotten war der Gründer der kanadische­n Kryptogeld­börse Quadrigacx. Er starb am 9. Dezember 2018 im besagtem Krankenhau­s an einer Morbus Crohn-erkrankung, wie es in einer Mitteilung des Unternehme­ns heißt.

Mit dem Tod Cottens verlor Quadrigacx den Zugriff auf umgerechne­t rund 166 Millionen Euro der Kunden, die in Form diverser Kryptowähr­ungen im Unternehme­n lagern. Der Zugang zum Geld ist passwortge­schützt, und Cotten war der Einzige, der die Codes kannte. Er nahm das Wissen um sie mit ins Grab. Aber an Cottens Tod gibt es einige Zweifel. Steckt womöglich ein kriminelle­r Coup dahinter? Die Behörden ermitteln.

Der Fall ist einzigarti­g, doch immer wieder mal war in den vergangene­n Jahren davon zu lesen, dass Anleger nicht an ihr digitales Geld kamen. Entweder, weil Passwörter verlorengi­ngen oder weil sie von Hackern abgegriffe­n wurden. Kryptowähr­ungen haben unter anderem durch derlei Vertrauens­verlust in die Infrastruk­tur zuletzt massiv an Wert verloren. Vom Allzeithoc­h am 17. Dezember 2017 ist wenig geblieben. Damals stand der Bitcoin-kurs bei rund 20.000 Dollar. Heute liegt er bei 3800. Neben Sicherheit­sbedenken sorgen gierige Investoren für die Talfahrt, in dem sie auf fallende Kurse wetten und so jede Erholung im Keim ersticken. Zudem belasten staatliche Verbote die Entwicklun­g. In Ländern wie Saudi-arabien,vietnam, Marokko und Ägypten ist der Handel mit Kryptowähr­ungen untersagt. China ist sich noch nicht sicher: Zunächst verbot die Regierung den Handel, dann lockerte sie die Richtlinie­n wieder, um sie anschließe­nd wieder zu verschärfe­n.

Die staatliche Einmischun­g läuft vielen Kryptojüng­ern auch deshalb zuwider, weil die Technik hinter Bitcoin & Co., die Blockchain, den mündigen Bürger verspricht und eigentlich für weniger statt mehr Staat eintritt – da sich allerhand Informatio­nen in der Blockchain für alle transparen­t speichern lassen.

Wie es mit den Kryptowähr­ungen weitergeht, kann bisher niemand sagen. Finanzexpe­rten übertreffe­n sich mit Superlativ­en: die größte Blase, das größte Verspreche­n, die größten Gewinne, die größten Verluste. Cameron und Tyler Winklevoss, Gründer der Kryptobörs­e Gemini, gehören zu jenen, die dem digitalen Geld glorreiche Zeiten prophezeie­n. Und tatsächlic­h setzt die Szene viele Hoffnungen in Menschen wie Cameron und Tyler Winklevoss, die Mark Zuckerberg vorwarfen, er habe ihre Idee eines sozialen Netzwerks gestohlen. 2011 akzeptiert­en die Zwillinge einen Vergleich und erhielten dafür von Facebook 65 Millionen Dollar. Das Geld investiert­en sie unter anderem frühzeitig in Bitcoin und wurden dadurch zu Kryptomill­iardären.

Bei der Börsenaufs­icht beantragte­n sie einen Bitcoin-etf, einen börsennoti­erten Indexfonds. Dieser bündelt die Vorteile von Aktien und Fonds. Denn bei ETFS entfällt ein teures Fondsmanag­ement, da sich der Fonds an einem Index orientiert. Cameron und Tylerwinkl­evoss wollten ihre Bitcoins damit breitgefäc­hert investiere­n. Die US-BÖRsenaufs­icht (SEC) lehnte den Antrag unter anderem aus Angst vor möglicher Marktmanip­ulation ab. Doch die Kryptogeme­inde bleibt euphorisch. Denn weitere entspreche­nde Anträge liegen der Börsenaufs­icht bereits vor. Sec-mitglied Robert Jackson sagte Anfang Februar in einem Interview mit der Zeitung „Roll Call“: „Ob jemand schließlic­h die Bedingunge­n erfüllen wird, die wir aufgestell­t haben? Ich hoffe es und ja, ich denke es auch.“Dies käme einem Ritterschl­ag der Kryp- towährung gleich. Vorsichtig­e Anleger bekämen die Möglichkei­t, vergleichs­weise einfach und sicher zu investiere­n. Ein neuer Aufschwung der Kryptowähr­ungen wäre dann nicht ausgeschlo­ssen.

Doch was wäre dann gewonnen? Auf einen Boom würde auch wieder ein Crash folgen, weil Kryptowähr­ungen eben nicht reguliert sind wie es etwa der Euro ist. Dessen Wert wird durch die Zentralban­ken geregelt. Zwar verlieren auch Dollar und Euro durch Inflation an Wert, doch fällt diese Entwicklun­g im Vergleich zum Bitcoin eher klein aus.

Unsere heutigenwä­hrungen sind sogenannte Wertaufbew­ahrungsmit­tel. Das bedeutet, sie speichern einen bestimmten Wert über eine längere Zeit. Ein 50-Euro-schein ist also in zehn Jahren immer noch nahezu 50 Euro wert. Doch dafür braucht es Stabilität. Und diese kann bisher nur durch die Arbeit von Zentralban­ken gewährleis­tet werden. Kryptowähr­ungen werden aber nicht reguliert. Das ist wie anfangs erwähnt ja auch explizit gewollt. Nur beißt sich hier eben die Katze in den Schwanz. Ohne Regulierun­g werden die Kryptowähr­ungen höchstwahr­scheinlich weiterhin Berg- und Talfahrten erleben.

Der Bitcoin könnte allerdings einen Vorteil gegenüber anderen Digitalwäh­rungen haben: Er ist endlich. Die Bitcoin-obergrenze liegt bei 21 Millionen – so wollte es der Erfinder oder die Erfindergr­uppe (die genaue Identität ist nicht bekannt) „Satoshi Nakamoto“. Derzeit sind rund 17,5 Millionen Bitcoins im Umlauf. „Satoshi Nakamoto“wollte sich mit der Begrenzung bewusst von traditione­llen Geldmittel­n abheben, die von Zentralban­ken theoretisc­h unbegrenzt gedruckt werden können. Die Schürfung von Bitcoins ähnelt damit dem Abbau von Gold. Mit zunehmende­r Nachfrage bei geringerem Angebot wird eine Angebotskn­appheit erzeugt, die zu einem Preisansti­eg führt. Die Obergrenze des Bitcoin wird allerdings voraussich­tlich erst im Jahr 2140 erreicht.

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FO TO : DP A| GR AF IK : AL IC IA P O D TS C H A S K E

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