Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Familienduell
Die norwegischen Brüder Ingebrigtsen zählen zur Weltspitze über die 1500 Meter. Ihre Auftritte erzählen eine kuriose Familiengeschichte. So auch am Mittwochabend beim Leichtathletik-meeting in Düsseldorf.
DÜSSELDORF Es war einmal ein Norweger, der hatte sieben Kinder. Und weil er die irgendwie beschäftigen wollte, trainierte er sie im Laufen. Er war Logistiker und hatte keine Ahnung von Sport oder Trainingswissenschaft. Er probierte einfach Methoden aus. Nach Versuch und Irrtum. Aus der reinen Beschäftigungstherapie erwuchs über die Jahre der Anspruch, sich mit den Besten messen zu können. Drei Söhne erfüllen inzwischen diesen Anspruch von Vater Gjert. Sie heißen Henrik, Filip und Jakob Ingebrigtsen, und sie zählen zur Weltspitze über 1500 Meter. Am Mittwochabend vollführten zwei der drei Brüder ihr Familienduell beim Psd-bank-meeting in Düsseldorf.
Und es war eine Show, die Jakob und Filip ablieferten – vor allem Jakob (18), der in einem packenden Rennen den Weltrekordhalter Samuel Tefera aus Äthiopien auf der Zielgerade schlug und in 3:36,02 Minuten mal eben Bestleistung, nationalen Rekord und U20-weltrekord lief. „Es fühlt sich großartig an und hat riesig Spaß gemacht“, sagte er. Bruder Filip wurde Dritter und lief in 3:38,62 ebenfalls persönliche Bestleistung.
Indes, bei aller Show gilt auch: Wer als Meetingdirektor die Ingebrigtsens verpflichtet, kommt schon vorher ins Schwitzen. Da machte Marc Osenberg keinen Hehl draus. „Ich bin erst sicher, dass sie da sind, wenn sie da sind. Ich bin auch erst sicher, dass sie gelaufen sind, wenn sie gelaufen sind. Das ist eben die Wunderkiste mit dieser Familie, man erwartet jede Minute einen Anruf“, hatte der Macher des PSDBank-meetings noch am Vortag des Rennens gesagt. „Auf der anderen Seite freut man sich natürlich, weil man weiß, was gerade die beiden jungen leisten können. Und dann in einem Feld mit Tefera. Deswegen ist es auch eine meiner Lieblingsdisziplinen beim diesjährigen Meeting.“Er sollte belohnt werden.
Doch es ist eben schwierig mit Stars. Und die Ingebrigtsens sind in der Leichtathletik-szene Stars. Wegen ihrer skurrilen Geschichte, die das norwegische Fernsehen mit einer Dokumentation begleitete, aber längst auch wegen ihrer Erfolge. Henrik (27), der Älteste mit dem markanten Schnauzbart, sammelte schon vier Em-medaillen, wurde 2012 Europameister. Filip (25), der Mittlere, wurde 2016 Europameister und rannte 2017 zu Wm-bronze. Nesthäkchen Jakob gilt aber als das größte Talent und katapultierte sich spätestens mit seinen Titeln über 1500 Meter und 5000 Meter bei der EM 2018 in Berlin ins Rampenlicht.
„Wir haben nie akzeptiert, dass es Grenzen gibt. Warum sollen nor- wegische Burschen nicht so gut sein können wie irgendein Afrikaner?“, wurde Gjert Ingebrigtsen in der „Neuen Zürchen Zeitung“zitiert. Seine Jungs können es. Aber weil sie es können, und weil die Leichtathletik ein gebranntes Kind ist, sind Doping-gerüchte nicht weit. Gerüchte, wie es sie auch seit Jahren um die norwegischen Ausdauerkünstler im Wintersport gibt. Nachgewiesen wurde indes nichts.
Über die Hingabe, die der Vater von den Söhnen für den sportlichen Erfolg verlangt, gibt es manche Anekdoten. So durfte Filip nicht mit der Freundin in die Ferien fahren, weil das das Training vernachlässigt hätte. Und Henrik musste noch am Morgen vor seiner Hochzeit eine Einheit absolvieren.
Das Duell mit Tefera in Düsseldorf lieferte einenvorgeschmack auf das, was der Wm-endlauf von Katar im Herbst bieten könnte. Norwegen gegen Afrika. Ingebrigtsen gegen Afrika. Und wer in Äthiopien oder Kenia denken mag, das mit den Norwegern, das gehe auch wieder vorbei, der könnte sich irren. Denn die nächsten Geschwister stehen in den Startlöchern. Ingrid (13) dominiert ihre Altersklasse in Norwegen nach Belieben. Und da gibt es noch den kleinen Max (6). Auch der will schließlich beschäftigt werden.vom Vater, der eigentlich keine Ahnung vom Sport hatte.