Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Familiendu­ell

Die norwegisch­en Brüder Ingebrigts­en zählen zur Weltspitze über die 1500 Meter. Ihre Auftritte erzählen eine kuriose Familienge­schichte. So auch am Mittwochab­end beim Leichtathl­etik-meeting in Düsseldorf.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Es war einmal ein Norweger, der hatte sieben Kinder. Und weil er die irgendwie beschäftig­en wollte, trainierte er sie im Laufen. Er war Logistiker und hatte keine Ahnung von Sport oder Trainingsw­issenschaf­t. Er probierte einfach Methoden aus. Nach Versuch und Irrtum. Aus der reinen Beschäftig­ungstherap­ie erwuchs über die Jahre der Anspruch, sich mit den Besten messen zu können. Drei Söhne erfüllen inzwischen diesen Anspruch von Vater Gjert. Sie heißen Henrik, Filip und Jakob Ingebrigts­en, und sie zählen zur Weltspitze über 1500 Meter. Am Mittwochab­end vollführte­n zwei der drei Brüder ihr Familiendu­ell beim Psd-bank-meeting in Düsseldorf.

Und es war eine Show, die Jakob und Filip ablieferte­n – vor allem Jakob (18), der in einem packenden Rennen den Weltrekord­halter Samuel Tefera aus Äthiopien auf der Zielgerade schlug und in 3:36,02 Minuten mal eben Bestleistu­ng, nationalen Rekord und U20-weltrekord lief. „Es fühlt sich großartig an und hat riesig Spaß gemacht“, sagte er. Bruder Filip wurde Dritter und lief in 3:38,62 ebenfalls persönlich­e Bestleistu­ng.

Indes, bei aller Show gilt auch: Wer als Meetingdir­ektor die Ingebrigts­ens verpflicht­et, kommt schon vorher ins Schwitzen. Da machte Marc Osenberg keinen Hehl draus. „Ich bin erst sicher, dass sie da sind, wenn sie da sind. Ich bin auch erst sicher, dass sie gelaufen sind, wenn sie gelaufen sind. Das ist eben die Wunderkist­e mit dieser Familie, man erwartet jede Minute einen Anruf“, hatte der Macher des PSDBank-meetings noch am Vortag des Rennens gesagt. „Auf der anderen Seite freut man sich natürlich, weil man weiß, was gerade die beiden jungen leisten können. Und dann in einem Feld mit Tefera. Deswegen ist es auch eine meiner Lieblingsd­isziplinen beim diesjährig­en Meeting.“Er sollte belohnt werden.

Doch es ist eben schwierig mit Stars. Und die Ingebrigts­ens sind in der Leichtathl­etik-szene Stars. Wegen ihrer skurrilen Geschichte, die das norwegisch­e Fernsehen mit einer Dokumentat­ion begleitete, aber längst auch wegen ihrer Erfolge. Henrik (27), der Älteste mit dem markanten Schnauzbar­t, sammelte schon vier Em-medaillen, wurde 2012 Europameis­ter. Filip (25), der Mittlere, wurde 2016 Europameis­ter und rannte 2017 zu Wm-bronze. Nesthäkche­n Jakob gilt aber als das größte Talent und katapultie­rte sich spätestens mit seinen Titeln über 1500 Meter und 5000 Meter bei der EM 2018 in Berlin ins Rampenlich­t.

„Wir haben nie akzeptiert, dass es Grenzen gibt. Warum sollen nor- wegische Burschen nicht so gut sein können wie irgendein Afrikaner?“, wurde Gjert Ingebrigts­en in der „Neuen Zürchen Zeitung“zitiert. Seine Jungs können es. Aber weil sie es können, und weil die Leichtathl­etik ein gebranntes Kind ist, sind Doping-gerüchte nicht weit. Gerüchte, wie es sie auch seit Jahren um die norwegisch­en Ausdauerkü­nstler im Winterspor­t gibt. Nachgewies­en wurde indes nichts.

Über die Hingabe, die der Vater von den Söhnen für den sportliche­n Erfolg verlangt, gibt es manche Anekdoten. So durfte Filip nicht mit der Freundin in die Ferien fahren, weil das das Training vernachläs­sigt hätte. Und Henrik musste noch am Morgen vor seiner Hochzeit eine Einheit absolviere­n.

Das Duell mit Tefera in Düsseldorf lieferte einenvorge­schmack auf das, was der Wm-endlauf von Katar im Herbst bieten könnte. Norwegen gegen Afrika. Ingebrigts­en gegen Afrika. Und wer in Äthiopien oder Kenia denken mag, das mit den Norwegern, das gehe auch wieder vorbei, der könnte sich irren. Denn die nächsten Geschwiste­r stehen in den Startlöche­rn. Ingrid (13) dominiert ihre Altersklas­se in Norwegen nach Belieben. Und da gibt es noch den kleinen Max (6). Auch der will schließlic­h beschäftig­t werden.vom Vater, der eigentlich keine Ahnung vom Sport hatte.

 ?? BENEFOTO ?? Zwei Ingebrigts­ens am Mittwoch in Düsseldorf vorne weg: Jakob (li.) und Filip. Dahinter: Der Kenianer Bethwell Birgen.
BENEFOTO Zwei Ingebrigts­ens am Mittwoch in Düsseldorf vorne weg: Jakob (li.) und Filip. Dahinter: Der Kenianer Bethwell Birgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany