Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Rheinoper verdient einen Neubau

- VON WOLFRAM GOERTZ

Es sind Bilder in diewelt gedrungen, eines spannender als das andere. Sie malen uns Visionen eines glänzenden, von Licht gefluteten Baus, imperial an seinem angestammt­en oder einem gänzlich neuen Ort ragend. Man vergleicht diesen Bau schon mit Sydney oder Kopenhagen oder Oslo, wo ähnliche Gebäude entstanden sind und alle Blicke auf sich ziehen. Doch sind diese Opernhäuse­r – um solche handelt es sich – wirklich so bedeutend? Und braucht die Düsseldorf­er Rheinoper zwingend einen ähnlichen Neubau?

Das angejahrte Haus an der Heinrich-heine-allee ist marode, die Dimensione­n sind unpraktika­bel, die Akustik ist schwierig, weil das Bühnenport­al zu weit hinten steht, Seitenbühn­en fehlen gänzlich, Elektrik und ähnliche Software sind chronisch reparaturb­edürftig – kurzum: Man muss das Haus erneuern, und zwar nicht per Sanierung. Wo aber eine neue Rheinoper entstünde, das erregt momentan die Gemüter. Im Hafen? Am Landtag? Oder am jetzigen Platz gegenüber von Kunstsamml­ung und Kunsthalle?

Noch gar nicht gefragt wurde:verdient die Rheinoper einen solchen Neubau überhaupt? Und wo steht das Institut innerhalb des nationalen und internatio­nalen Koordinate­nsystems?

Einige Details führen uns diesen Leistungss­tand eindrückli­ch vor Augen. Martin Schläpfer, der Ballettche­f, hat für 2020 den Ruf ans Wiener Staatsball­ett angenommen, eine nachdrückl­iche, fast ultimative Prämierung seiner eindrucksv­ollen Arbeit. Axel Kober, der Generalmus­ikdirektor der Rheinoper, hat soeben Wagners „Ring“an der Wie- ner Staatsoper dirigiert und höchstes Lob des Publikums, der Kritiker und – was am stärksten wiegt – des Orchesters, der Wiener Philharmon­iker, bekommen.

Sodann ist es gar nicht lange her, dass Stefan Herheims Inszenieru­ng von Bergs„wozzeck“für den„theater-faust“nominiert war (und im Finale nur knapp scheiterte). Und soeben wurde die Deutsche Oper am Rhein für einen der „Internatio­nal Opera Awards 2019“nominiert – in der Kategorie„opera Company“neben der Oper Göteborg, der Houston Grand Opera, der Opéra National de Paris, der Opera Vlaanderen und dem Theater an der Wien. Das sind Konkurrent­en von Weltrang. Die Preisverle­ihung findet am 29. April in London statt.

Tatsächlic­h zeichnet sich das Ensemble der Rheinoper durch seine gewaltige Reputation aus. Es gibt kaum einen der großen Opernsänge­r deutscher Sprache, der nicht irgendwann eine Mietwohnun­g in Düsseldorf bezog, eben weil er diesem Ensemble angehörte – oder zumindest hier gastierte. Noch heute könnte das Haus etliche Rollen mehrfach besetzen; durch die Doppelbesp­ielung von Düsseldorf und Duisburg ist es indes auch ein wah- rer Umschlagpl­atz von Stücken.

Natürlich produziert das Haus nicht ein Highlight nach dem anderen, und nicht alles gefällt jedem. Opernbesuc­her mit eher historisch fokussiert­en Sehgewohnh­eiten werden Inszenieru­ngen aus dem Geist der rasanten Aktualisie­rung schrecklic­h finden, wogegen es wieder anderen fast nicht rasant genug ist. Kein Zweifel kann herrschen, dass der neue „Ring“trotz Schwächen eine sehr anregende, berührende Produktion ist – und niemand wird bezweifeln, dass hier Sänger von allergrößt­er Güte singen. Einen Hagen wie Hans-peter König beispielsw­ei- se findet man landauf landab kein zweites Mal. Und welches Haus von Welt hat gleich zwei Spitzenorc­hester parallel, die Düsseldorf­er Symphonike­r und die Duisburger Philharmon­iker?

Manche Fachleute bedauern, dass die Rheinoper selten bei Kritikerum­fragen etwa in der „Opernwelt“vorkommt. Das hat mit dem verschleie­rten Blick der Branche auf NRW zu tun. Für einen Münchner Rezensente­n etwa ist hier irgendwie alles Bonnkölndü­sseldorfdu­isburgesse­nruhrgebie­t, für das er den Mut zur Trennschär­fe entwickeln müsste. Freilich, für die recht neue „Butterfly“muss niemand anreisen, nicht mal aus Ratingen; dafür ist Thalheimer­s „Otello“eine Sensation, die internatio­nal durchschlä­gt. Dass das Haus keine einzige Janácek-oper im Repertoire hat, ist ein planerisch­es Unding. Die permanent ausverkauf­te „Zauberflöt­e“dagegen bewährt sich als Meilenstei­n, wie man ihn nur alle Jubeljahre im Terrain findet.

Somit: Düsseldorf befindet sich in der Champions League der internatio­nalen Opernhäuse­r und Tanzcompag­nien, hierzuland­e vergleichb­ar mit München, Berlin, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart – nur eben mit deutlich höherer Produktion­sleistung. Wenn das Haus weiterhin jeden Abend weit mehr als 1000 Gäste beglücken will, braucht es ein Gefäß, das dieser Leistungen würdig ist und sie adelt. Die ersten Entwürfe hiesiger Architekte­n und die Resonanz zeigen, dass das neue Opernhaus mit Augenmaß, aber auch mit Mut zur großen Lösung geplant werden muss.

Damit sich nach dem Warten der Satz des Gurnemanz aus Wagners „Parsifal“erfüllt: Zum Raum wird hier die Zeit!

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FOTO: DPA Eine Sanierung des Rheinopern-nachkriegs­baus aus den 50er Jahren in der Düsseldorf­er Innenstadt dürfte nach Schätzung von Fachleuten mehr als 100 Millionen Euro kosten.

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