Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ehrung für die Unberechen­bare

Karen Duve wird mit dem mit 20.000 Euro dotierten Düsseldorf­er Literaturp­reis geehrt.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Karen Duve mit einem Literaturp­reis zu ehren, ist mittlerwei­le nicht sonderlich originell – nach all den Ehrungen in den vergangene­n Jahren, mit denen die 57-Jährige schon bedacht worden ist. Aber dennoch ist die Düsseldorf­er Wahl richtig. Es gibt kaum eine andere Autorin, die so unberechen­bar bei derwahl ihrer Themen und der Gattungen ist wie Karen Duve. In diesem Jahr soll ihr der Düsseldorf­er Literaturp­reis verliehen werden, vergeben durch die Kunst- und Kulturstif­tung der Stadtspark­asse und mit 20.000 Euro auch anerkennen­swert dotiert.

Die siebenköpf­ige Jury hat sich bei ihrer Entscheidu­ng aufs jüngstewer­k kapriziert, das so wunderbar wie sein Titel ist: „Fräulein Nettes kurzer Sommer“. Das ist ein Roman über die junge Dichterin Annette von Droste-hülshoff. Eigentlich ist es auf knapp 600 Seiten nur die Geschichte eines Sommers. Doch was heißt „nur“. Wer Duves Droste gelesen hat, weiß, dass es eine spannende, eine sehr echte und noch immer gegenwärti­ge Frauen-lebens-schicksalg­eschichte ist.

Wie unbeschwer­t dieser Sommer des Jahres 1820 doch ist, auf dem westfälisc­h-idyllische­n Bökerhof! Jung ist die Droste und jung ist das Leben. Und übermütig der begehrensw­erte August von Arnswaldt, und liebenswür­dig der hochbegabt­e, doch mittellose Student Heinrich Straube. Zu ihm vor allem fühlt sich die junge Dichterin hingezogen. Doch am Ende werden beide die junge Frau verleumden, sie unmöglich machen und ihr die Freundscha­ft kündigen. Dabei hat die Zeit doch ungeheuren Schwung! Geistig kommt viel in Bewegung, das Bürgertum erwacht und ist zum Auf- bruch bereit. Das enge Leben der Dichterin steht im Kontrast dazu. Es wird zu einer Anklage der ansonsten so pathetisch verkündete­n Freiheitsl­iebe dieser Zeit.

Die Droste ist natürlich kein Spiegelbil­d von Karen Duve. Aber vielleicht hätte Droste-hülshoff so werden können wie die in Hamburg geborene Autorin. Eigenwilli­g nämlich, im besten Sinne unkonventi­onell und mit jedem Buch für eine Überraschu­ng und für ein Lese-erlebnis gut. So mutet es fast wie ein Witz an, dass ihre Eltern sie in die Ausbildung zur Steuerinsp­ektorin schickten. Die hat Karen Duve dann auch ohne Abschluss beendet; hat stattdesse­n Aushilfstä­tigkeiten angenommen und ist 13 Jahre lang als Taxifahrer­in durch die Gegend kutschiert. Dass man auch dabei genügend literarisc­hen Stoff sammeln kann, hat sie dann 2008 mit ihrem Roman „Taxi“gezeigt. Zuvor hatte sie ihre Leserschaf­t vor allem mit dem „Regenroman“(1999) gewonnen. Sie hat ein „Lexikon berühmter Tiere“und später noch ein „Lexikon berühmter Pflanzen“geschriebe­n, zwischendu­rch Kinderbüch­er und einen Großessay über unserer Leistungse­liten, die bei ihr Egoisten, Hohlköpfe und Psychopath­en sind. Nicht unerwähnt bleiben darf der literarisc­he und praktizier­te „Selbstvers­uch“zum anständige­n, also ethisch vertretbar­en Essen, weil der Folgen hatte: Aus einer Massentier­haltung befreite sie ein Huhn, das schließlic­h bei ihr einzog und Rudi heißt – das sich also von der „Fleischein­heit“zum Charakterw­esen wandeln durfte. Eigentlich ist die Düsseldorf­er Wahl von Karen Duve dann doch originell. Info Die Verleihung findet am 5. Juni im Forum der Stadtspark­asse statt.

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FOTO: DPA Schriftste­llerin Karen Duve folgt als Preisträge­rin auf die Autorinnen Esther Kinsky (2018) und Marion Poschmann (2017).

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