Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schuss traf 76-Jährigen ins Knie

In einem Außenbezir­k von Goch ist am Samstagabe­nd ein Senior von einem Maskierten angeschoss­en worden, den er in seinem Garten ertappte. Der Hausbesitz­er ist im Krankenhau­s, nach dem Täter wird noch gefahndet.

- VON ANJA SETTNIK

GOCH Es ist eine Situation, die man sich schrecklic­her kaum vorstellen kann: Samstagabe­nd, ein vorfrühlin­gshaft sonniger Tag geht zu Ende, ein älteres Ehepaar genießt ein ruhiges Stündchen auf dem Sofa. Plötzlich ein lauter Knall, Glas splittert, die Terrassent­ür ist geborsten. Der 76-jährige Hausbesitz­er zögert nicht lange, tritt durch die Tür auf seine Terrasse. Er steht einem maskierten Mann gegenüber, der nicht lange fackelt, sondern abdrückt. Ein Schuss ins Knie lässt den Senior zu Boden gehen. All das vor den Augen seiner Frau, die trotz des Schocks sofort die Polizei ruft.

Geschehen ist das am Samstagabe­nd in Goch, an einem Haus im nur dünn besiedelte­n Außenbezir­k, auf einem Gelände, das eigentlich gut gesichert ist. Hinter einer elektrisch gesteuerte­n Toranlage befindet sich auf einem weitläufig­en Gelände eine Villa, in der unten das Ehepaar und oben der erwachsene Sohn mit Familie wohnt. Bis vor einigen Jahren betrieb der Junior hier seine Firma, jetzt ist das großzügige Haus nur noch zumwohnen da. Ruhige und nette Leute seien das, sagen am nächsten Morgen die Nachbarn, unfassbar, dass hier so etwas passiert sei.

Es war gegen 19.45 Uhr, als der 76-Jährige völlig unvermitte­lt angegriffe­n wurde, und trotz massiven Polizeiein­satzes war der Täter am Sonntag noch auf der Flucht. Bis weit in die Nacht beobachtet­en Zeugen zahlreiche Einsatzfah­rzeuge, die an der Bundesstra­ße Richtung Kalkar und in den Nebenstraß­en hinund herfuhren. Die Feuerwehr hatte Lichtmaste­n aufgestell­t, um die Beamten bei der Spurensuch­e zu unterstütz­en – ohne Erfolg. Auch ein Polizeihub­schrauber, der in der Nacht über dem „Gocher Berg“kreiste, brachte kein Fahndungse­rgebnis. Hinter dem Wohnhaus liegt ein Wäldchen, ein Wanderweg an der Niers zieht Spaziergän­ger und Jogger an. Es gibt Forellente­iche und einen Campingpla­tz – ländli- che Idylle pur. Ob der Täter zu Fuß oder anders entkommen ist, ist wie vieles in diesem Fall noch unklar.

Nachbarn sind schnell mit einer Erklärung zur Hand: „Bestimmt ein Überfall“. Aber das will die Polizei bislang nicht bestätigen. Es wurde nichts gestohlen, die teuren Autos der Bewohner wurden nicht angetastet. Der Fall ist ein Rätsel. „Die Befragunge­n des Opfers und seines Umfelds laufen. Was wir bisher sagen können, ist, dass wohl keine Tötungsabs­icht bestand“, sagt eine Polizeispr­echerin. Sie will auch nicht mutmaßen, ob es eventuell einen Zusammenha­ng mit dem Opfer oder seiner unternehme­rischen Tätigkeit gibt. „Jedenfalls hat der Geschädigt­e den Angreifer offenbar nicht gekannt“, sagt die Sprecherin. Der Mann sei von dem Unbekannte­n völlig überrumpel­t worden. Er habe zuvor auch niemals Anlass gehabt, sich bedroht zu fühlen.

Polizei und Opferschüt­zern zufolge verunsiche­rt es Menschen zutiefst, wenn sie einem Fremden im eigenen Haus oder auf dem gesicherte­n Grundstück begegnen – selbst, wenn es nicht zu einem körperlich­en Angriff kommt. Nachdem der schwer verletzte 76-Jährige ins Krankenhau­s gebracht worden war, wurde deshalb ein Opferschüt­zer hinzu gezogen. Nicht nur für die Ehefrau, sondern auch für die übrigen Bewohner, zu denen auch Kinder gehören.

Der Opa abends im vermeintli­ch sicheren Zuhause auf der eigenen Terrasse angeschoss­en – „so etwas braucht meist die Begleitung durch Fachleute. Da kommen unsere Opferschüt­zer nicht nur kurz vorbei, sondern betreuen die Betroffene­n tagelang oder so lange, wie sie es brauchen“, sagt die Polizeispr­echerin.

Während der Befragung des Opfers wurde die Fahndung nicht fortgesetz­t, die Polizei hofft auf neue Erkenntnis­se, um zielgerich­teter su- chen zu können. Bis der Gewalttäte­r gefasst ist, werden die Nachbarn ihre Fenster und Türen gut geschlosse­n halten. „Gleich am Samstagabe­nd haben wir unsere Whatsapp-gruppe genutzt, um alle Leute, die in der Nähe wohnen, zu warnen“, erzählt ein Anwohner. Die Betroffenh­eit sei groß gewesen – an Schüsse in ihrer Nachbarsch­aft können sich auch die Älteren nicht erinnern.

Am Sonntagvor­mittag trauten sich bei schönstem Wetter Anlieger und Jogger trotz des ungeklärte­n Vorfalls wieder ins Freie. Kinder wollten spielen, Hunde mussten Gassi geführt werden, Gänse waren zu füttern, diewochene­ndgäste des Campingpla­tzes wollten nicht ohne einen schönen Spaziergan­g zurück in ihren städtische­n Alltag. Sie alle hoffen, dass bald wieder Ruhe einkehrt auf dem „Gocher Berg“.

 ?? FOTO: K.-D. STADE ?? Hinter diesem Hoftor in einem Außenbezir­k von Goch geschah die Tat.
FOTO: K.-D. STADE Hinter diesem Hoftor in einem Außenbezir­k von Goch geschah die Tat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany