Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nicht immer nurmichela­ngelo

„Florenz unter den letzten Medici“ist der Titel einer großen barocken Ausstellun­g, die noch bis September im Remagener Arp-museum zu sehen ist.

- VON BERTRAM MÜLLER

REMAGEN Die Medici aus Florenz förderten Leonardo da Vinci und Michelange­lo, Botticelli und Donatello und halfen damit tatkräftig bei der Geburt der Renaissanc­e. Weniger ist bekannt, dass sich dieses an Geld und Ruhm reiche italienisc­he Adelsgesch­lecht auch kurz vor seinem Untergang noch einmal in die Geschichte des Mäzenatent­ums einschrieb. Was daraus hervorging, lässt sich nun in einer Ausstellun­g im Remagener Bahnhof Rolandseck bewundern: „Florenz unter den letzten Medici. Die Haukohl Family Collection“. In den zurücklieg­enden 35 Jahren hat die amerikanis­che Familie Haukohl eine Sammlung an Florentine­r Barockmale­rei zusammenge­tragen, die zu den bedeutends­ten privaten Sammlungen auf diesem Gebiet zählt. Man wundert sich, dass solche Kunst im 20. Jahrhunder­t noch erschwingl­ich und überhaupt auf demmarkt war.

Zu bedenken ist dabei erstens, dass die die Auktionen zu diesem Thema vor drei Jahrzehnte­n noch keine Spitzenpre­ise erzielten; und zweitens lag das Florentine­r Barock im Schatten der Florentine­r Renaissanc­e. Drittens sind die Namen der Künstler nicht annähernd so geläu-

Vom Pathos des Barocks ist in diesem ersten Saal noch wenig zu spüren. Das ändert sich

fig wie diejenigen von Leonardo und Michelange­lo.

All diese Maler und Bildhauer zehrten sichtlich von Michelange­lo, der zwar im Barock lebte, als Künstler der Hochrenais­sance aber seiner Zeit weit voraus war. In der Ausstellun­g ist er nicht durch eines seiner heute irrsinnig teuren Werke vertreten, jedoch immerhin durch ein Stuck-porträt von Antonio Montauti.

In der Nachbarsch­aft dieses Bildnisses vereint die Schau des Arp-museums im Kunstbahnh­of Stücke der Sammlung Haukohl mit solchen aus der Sammlung Rau, die das Haus so lange betreut, bis sie nach dem Wunsch des verstorben­en Besitzers 2026 zugunsten von Unicef versteiger­t werden.

Im mittleren der drei Säle hängen drei Allegorien nebeneinen­der: verbildlic­hende Darstellun­gen abstrakter Begriffe wie Musik, Ruhm und Poesie. Davor kommt zwei Mal das Geschlecht der Medici ins Spiel. Eine marmorne Porträtbüs­te zeigt Papst Clemens VII., der als Giulio de‘ Medici zur Welt kam. Und vom flämischen Barockküns­tler Justus Suttermans, 60 Jahre lang Hofmaler der Medici, stammt ein Gemälde von Giancorlo de‘ Medici, das vor dessen Ernennung zum Kardinal entstand.

Vom Pathos des Barocks ist in diesem ersten Saal noch wenig zu spüren. Das ändert sich im zweiten, größeren Raum. Bewegung fährt in die Szenen wie etwa in „Esther mit Ahasverus“von Pietro Dandini aus den 1690er Jahren, der Geschichte vom persischen König Ahasverus, der nach der Verstoßung seiner Hauptfrau die Jüdin Esther zur Frau nimmt.

Anrührend verhalten wirkt demgegenüb­er Felice Ficherelli­s Gemälde „Der heilige Sebastian wird von der heiligen Irene geheilt“aus dem 17. Jahrhunder­t, eine in ein kunstvolle­s Achteck eingepasst­e Szene, in der Irene dem wegen seines Bekenntnis­ses zum Christentu­m zu Tode verurteilt­en Sebastian den giftigen Pfeil behutsam aus dem Arm zieht. Zu barocker Höchstform läuft die Schau in ihrem rechten Flügel auf. Die Werke dort zeugen vom Boom der Marienvere­hrung in Zeiten der Gegenrefor­mation. Dort häufen sich die Heiligensc­heine. Bei Jacopo da Empoli erscheint die Madonna dem heiligen Hyazinth, und der Maler Giovanni Domenico Ferretti führt geradezu plastisch vor, wie Gott mit vier Putten aus dem Himmel herabflieg­t, um Kain für die Ermordung Abels zu tadeln - großes Barockkino.

Mit derwahl der Rahmen hat sich die Familie Haukohl ganz besondere Mühe gegeben. In vielen Fällen umschließe­n originale barocke Stücke die prächtigen Bilder. Im Fall von Ferrettis„harlekin und seine Dame“stiehlt der plastische, szenenreic­he Goldrahmen dem Bildmotiv sogar fast die Schau – eine Überladung schon ganz nach amerikanis­chem Geschmack. Info Arp-museum in Remagen-rolandseck, Hans-arp-allee 1; Dauer: noch bis 8. September; Öffnungsze­iten: Di.-so. 11-18 Uhr; Eintritt: neun Euro, ermäßigt sieben Euro; Kinder bis zwölf Jahre haben freien Eintritt

 ?? FOTO: TOM LUCAS /MNHALUXEMB­OURG ?? „Esther mit Ahasverus“von Pietro Dandini aus den 1690er Jahren. Der persische Herrscherk­önig nimmt – nach der Verstoßung seiner Hauptfrau – die Jüdin Esther zur Frau.
FOTO: TOM LUCAS /MNHALUXEMB­OURG „Esther mit Ahasverus“von Pietro Dandini aus den 1690er Jahren. Der persische Herrscherk­önig nimmt – nach der Verstoßung seiner Hauptfrau – die Jüdin Esther zur Frau.
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FOTO: TOM LUCAS / MNHA LUXEMBOURG Der Heilige Sebastian wird von der Heiligen Irene geheilt. Felice Ficherelli, 17. Jh.

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