Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jecke Weiber haben Neuss fest im Griff
Kräftig gefeiert wurde am Donnerstag auf dem Marktplatz: Die Möhnen um Novesia Mandy I. Gilles läuteten die heiße Phase des Straßenkarnevals ein. Zuvor legten sie den Bürgermeister in Ketten.
Schnipp, schnapp – und zack, war die Krawatte ab. Einmal dem Bürgermeister den Schlips abschneiden: Davon träumt wohl jede waschechte Karnevalistin. Novesia Mandy I. Gilles durfte dieses Jahr am Altweibertag endlich selbst an die Schere. „Das hat schon Spaß gemacht“, gibt sie zu, „wenn ich auch ein bisschen aufgeregt war“. Seine blaue Krawatte ließ sich Reiner Breuer auf der Rathaus-bühne vergleichsweise leicht durchtrennen. Deutlich widerspenstiger zeig- te sich der Rathaus-chef allerdings bei der Eroberung seines Dienstsitzes: Zwischen seinem Amtszimmer und dem Balkon hat es nur wenige Minuten vor dem obligatorischen Schlips-schnitt eine regelrechte Verfolgungsjagd gegeben. „Das war ganz schön anstrengend“, berichtet Novesia Mandy.
Trotzdem gelang es den Frauen der Neusser Karnevalsgesellschaften, den Bürgermeister bereits um 10.55 Uhr „außer Gefecht zu setzen“: Sie legten ihn in Ketten. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als auch den großen Schlüssel für das Rathaus herauszurücken. Das war der Moment, in dem die Jecken mit einem Augenzwinkern die Herrschaft über Neuss übernahmen – zumindest für die närrischen Tage. „Ich wünsche mir friedliche Feiern und den Karnevalisten ganz viel Spaß“, sagte die Novesia, die sich später mit ihrem Prinzen Kalli unter das närrische Volk mischte und im Getummel auf dem Markt mitfeierte.
Die Stimmung war bereits kurz nach dem Rathaussturm ausgelassen. Und: Es waren mehr Besucher als sonst an Altweiber auf dem Marktplatz. Sicherlich war das auch dem guten Wetter geschuldet. „Vor allem die Frauen sind bunt kostümiert gekommen. Das ist klasse“, sagte Karnevalsausschuss-vize Reiner Franzen und zog damit noch während der Feier eine erste positive Bilanz. Aus seiner Sicht hat auch der Bürgermeister gut mitgespielt. „Er hat es den Frauen nicht einfach gemacht.“Insgesamt sei der Einstieg in den Straßenkarneval auch aus Sicht des Karnevalsausschusses gelungen.
Wenn die Männer am Altweibertag auch nicht viel zu melden haben, so durfte Reiner Breuer später doch noch einmal ran, als es um den Fassanstich ging: Mit gezielten Hammerschlägen brachte er eines der Bierfässer zum Sprudeln. Die feiernde Menge auf dem Marktplatz schunkelte so zur Musik auf der Bühne – und manch einer dürfte auch zur Party am Nachmittag ins Zeughaus gefunden haben, bei der sich die Karnevalisten noch einmal auf Kappessonntag und Co. einstimmten.
Unter das Partyvolk auf dem Marktplatz mischten sich auch Frauen wie Ursula Habrich, die mit Schildern und Trillerpfeifen unter dem Motto „Together with Respect“ein Zeichen gegen Übergriffe und Gewalt gegen Frauen gesetzt haben. „Uns ist es wichtig, dass an Karneval alle respektvoll miteinander feiern.“
Christian Kandzorra