Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Einen Schauspieler zieht es zur Bühne“
Sergio Abajur ist Maskenbildner, Regisseur und Autor. Aus Liebe kam er nach Deutschland und suchte seinen Weg zurück zum Theater.
NEUSS Sergio Abajur packt aus: Puder, Lidschatten, Farben, Glitzersteine zum Aufkleben – alles hat er dabei. Innerhalb kürzester Zeit wird der noch leere Maskenraum im Kulturforum Alte Post mit Leben gefüllt. Dort wird Abajur für einen Ngz-artikel ein Karnevalsgesicht schminken. Und während er einen Tiegel nach dem anderen aufstellt, sagt er: „Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde.“Abajur ist ein Freund der Improvisation. „Er ist am besten, wenn er vorher nicht genau weiß, was er macht. Das ist auch bei den Kostümen so“, bestätigt sein Mann Ami Bourgeois und fügt hinzu, „je weniger Vorgaben er hat, desto besser.“
In seiner Heimat Brasilien war Sergio Abajur ein gefragter Künstler, auch in der Neusser Theaterszene hat er sich längst einen Namen gemacht – als Maskenbildner, Kostümdesigner, Regisseur, Autor und Schauspieler. Nicht selten ist er alles zugleich. Auch eigene Stücke hat Abajur schon auf die Bühne gebracht – da wäre etwa „Zirkus – ein Hundeabenteuer“, das im Theater am Schlachthof Uraufführung hatte, oder „Fam.pir“(eine Vampirgeschichte) in der Alten Post.
Dabei war sein Start in Deutschland nicht leicht. „Mein erster Beruf ist Schauspieler“, erzählt Abajur. In Brasilien spielte er in einer professionellen Theaterproduktion. Wie es oftmals ist, fehlte es der Kompanie an Geld für einen eigenen festen Maskenbildner. Ein Make-upArtist kam vorbei und zeigte den
Jesus Christ Superstar
war das erste Stück in Deutschland, bei dem Abajur die Maske machte und auch eine kleine Rolle auf der Bühne übernahm.
Bat Boy
für das Stück von Sven Post schneiderte er in Deutschland das erste Mal die Kostüme.
Zirkus ein Hundeabenteuer
ist Abajurs erste eigene Produktion. Darstellern einige Handgriffe. „Ich war der einzige, der etwas davon behalten hat“, sagt er. Immer öfter schminkte er andere und wurde auch von anderen Kompanien engagiert, bald schon reiste er durch das ganze Land.
Für seine Make-up-kunst wurde Abajur in Brasilien mit Preisen ausgezeichnet:„es ist wie eine Art Bambi hier“, erklärt er. Wegen der Liebe kam Abajur 2005 nach Deutschland. Sein Mann Ami Bourgeois saß zunächst im Publikum. „Mit Theater hatte er gar nichts zu tun“, erzählt Abajur. Das hat sich geändert: Ami Bourgeois hilft ihm etwa, Stoffe für die Kostüme zu kaufen und begleitet ihn auf Termine. „Ich bin Mädchen für alles“; sagt Ami Bourgeois und lacht.
Der Anfang in Deutschland war für Sergio Abajur nicht ganz leicht – wegen mangelnder Sprachkenntnisse konnte er keine Rollen über- nehmen. Aber Abajur fand andere Wege: „Ein Schauspieler“, so sagt er, „kann nicht lange ohne Bühne bleiben.“Er performte erst als DragQueen, dann wurde er von Sven Post angesprochen, ihm bei seinem Musical „Jesus Christ Superstar“in der Maske zu helfen. Später bekam er sogar eine kleine Rolle. „Das war ganz schön viel, 48 Leute schminken und dann selbst raus auf die Bühne zu gehen.“
In seinem Atelier fertigt er seine Kostüme, stundenlang sitzt er dort vor seiner Nähmaschine. Erst vergangene Woche schneiderte er von neun Uhr morgens bis zum nächsten Tag ohne Unterbrechung an Kleidern für „Romeo und Julia“. Das Theaterstück hat in März Premiere in Arnstadt. Auch für Auftritte in Köln oder Düsseldorf wird er gebucht, Abajur gibt Schminkkurse und wird auch von Privatpersonen engagiert. „Er ist ein großer Schatz, den wir hier haben“, sagt Hans Ennen, der Leiter der Alten Post.
Besonders gerne erinnert sich Abajur an seine Produktion „Aufstand der Bösewichte“, die vor vier Jahren im Rheinischen Landestheater gezeigt wurde. „Nach der Vorstellung kamen Leute zu mir und sagten, dass war das schönste Stück, was sie gesehen haben, und ich dachte nur ,wow’“, erzählt er.
Gefragt nach seinem Traum, zögert der Künstler nicht lange: „Ich möchte immer arbeiten. Ich liebe arbeiten.“In Gedanken ist er schon bei seinem nächsten Projekt:„ich recherchiere zur Zeit für ein Musical in Brasilien. Anfang Mai fliege ich dorthin.“