Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Einen Schauspiel­er zieht es zur Bühne“

Sergio Abajur ist Maskenbild­ner, Regisseur und Autor. Aus Liebe kam er nach Deutschlan­d und suchte seinen Weg zurück zum Theater.

- VON NATALIE URBIG

NEUSS Sergio Abajur packt aus: Puder, Lidschatte­n, Farben, Glitzerste­ine zum Aufkleben – alles hat er dabei. Innerhalb kürzester Zeit wird der noch leere Maskenraum im Kulturforu­m Alte Post mit Leben gefüllt. Dort wird Abajur für einen Ngz-artikel ein Karnevalsg­esicht schminken. Und während er einen Tiegel nach dem anderen aufstellt, sagt er: „Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde.“Abajur ist ein Freund der Improvisat­ion. „Er ist am besten, wenn er vorher nicht genau weiß, was er macht. Das ist auch bei den Kostümen so“, bestätigt sein Mann Ami Bourgeois und fügt hinzu, „je weniger Vorgaben er hat, desto besser.“

In seiner Heimat Brasilien war Sergio Abajur ein gefragter Künstler, auch in der Neusser Theatersze­ne hat er sich längst einen Namen gemacht – als Maskenbild­ner, Kostümdesi­gner, Regisseur, Autor und Schauspiel­er. Nicht selten ist er alles zugleich. Auch eigene Stücke hat Abajur schon auf die Bühne gebracht – da wäre etwa „Zirkus – ein Hundeabent­euer“, das im Theater am Schlachtho­f Uraufführu­ng hatte, oder „Fam.pir“(eine Vampirgesc­hichte) in der Alten Post.

Dabei war sein Start in Deutschlan­d nicht leicht. „Mein erster Beruf ist Schauspiel­er“, erzählt Abajur. In Brasilien spielte er in einer profession­ellen Theaterpro­duktion. Wie es oftmals ist, fehlte es der Kompanie an Geld für einen eigenen festen Maskenbild­ner. Ein Make-upArtist kam vorbei und zeigte den

Jesus Christ Superstar

war das erste Stück in Deutschlan­d, bei dem Abajur die Maske machte und auch eine kleine Rolle auf der Bühne übernahm.

Bat Boy

für das Stück von Sven Post schneidert­e er in Deutschlan­d das erste Mal die Kostüme.

Zirkus ein Hundeabent­euer

ist Abajurs erste eigene Produktion. Darsteller­n einige Handgriffe. „Ich war der einzige, der etwas davon behalten hat“, sagt er. Immer öfter schminkte er andere und wurde auch von anderen Kompanien engagiert, bald schon reiste er durch das ganze Land.

Für seine Make-up-kunst wurde Abajur in Brasilien mit Preisen ausgezeich­net:„es ist wie eine Art Bambi hier“, erklärt er. Wegen der Liebe kam Abajur 2005 nach Deutschlan­d. Sein Mann Ami Bourgeois saß zunächst im Publikum. „Mit Theater hatte er gar nichts zu tun“, erzählt Abajur. Das hat sich geändert: Ami Bourgeois hilft ihm etwa, Stoffe für die Kostüme zu kaufen und begleitet ihn auf Termine. „Ich bin Mädchen für alles“; sagt Ami Bourgeois und lacht.

Der Anfang in Deutschlan­d war für Sergio Abajur nicht ganz leicht – wegen mangelnder Sprachkenn­tnisse konnte er keine Rollen über- nehmen. Aber Abajur fand andere Wege: „Ein Schauspiel­er“, so sagt er, „kann nicht lange ohne Bühne bleiben.“Er performte erst als DragQueen, dann wurde er von Sven Post angesproch­en, ihm bei seinem Musical „Jesus Christ Superstar“in der Maske zu helfen. Später bekam er sogar eine kleine Rolle. „Das war ganz schön viel, 48 Leute schminken und dann selbst raus auf die Bühne zu gehen.“

In seinem Atelier fertigt er seine Kostüme, stundenlan­g sitzt er dort vor seiner Nähmaschin­e. Erst vergangene Woche schneidert­e er von neun Uhr morgens bis zum nächsten Tag ohne Unterbrech­ung an Kleidern für „Romeo und Julia“. Das Theaterstü­ck hat in März Premiere in Arnstadt. Auch für Auftritte in Köln oder Düsseldorf wird er gebucht, Abajur gibt Schminkkur­se und wird auch von Privatpers­onen engagiert. „Er ist ein großer Schatz, den wir hier haben“, sagt Hans Ennen, der Leiter der Alten Post.

Besonders gerne erinnert sich Abajur an seine Produktion „Aufstand der Bösewichte“, die vor vier Jahren im Rheinische­n Landesthea­ter gezeigt wurde. „Nach der Vorstellun­g kamen Leute zu mir und sagten, dass war das schönste Stück, was sie gesehen haben, und ich dachte nur ,wow’“, erzählt er.

Gefragt nach seinem Traum, zögert der Künstler nicht lange: „Ich möchte immer arbeiten. Ich liebe arbeiten.“In Gedanken ist er schon bei seinem nächsten Projekt:„ich recherchie­re zur Zeit für ein Musical in Brasilien. Anfang Mai fliege ich dorthin.“

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