Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Arme Menschen sind häufiger krank
Der Aok-gesundheitsreport belegt einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Gesundheit. Die Kasse sieht Handlungsbedarf.
BERLIN Die soziale Absicherung von Erwachsenen und Kindern hat einen erheblichen Einfluss auf ihre Gesundheit. Zu diesem Ergebnis kommt der Gesundheitsreport der AOK Rheinland/hamburg, der unserer Redaktion exklusiv vorliegt. So leiden 6,8 Prozent der Arbeitnehmer unter einer koronaren Herzkrankheit, also einer Verengung der Herzkranzgefäße, während es bei Hartz-iv-empfängern 10,5 Prozent sind. Bei Diabetes (Typ 2) sind 5,5 Prozent der Arbeitnehmer, aber 9,1 Prozent der Bezieher des Langzeitarbeitslosengeldes betroffen.
Nun könnte die Vermutung naheliegen, dass Ursache und Wirkung andersherum liegen und kranke Menschen schlicht häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Allerdings weist der Aok-report auch eine geringere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen nach. So lassen 70 Prozent der Mütter mit festem Job nach der Geburt eines Kindes eine Hebamme zu sich nach Hause kommen. Bei den Hartz-iv-empfängern sind es nur knapp 33 Prozent.
Noch ein Beispiel: Die Kinder von Arbeitnehmern haben zu 78 Prozent mit sechs Jahren ein Gebiss ohne Füllungen. Bei den Kindern von Hartz-iv-empfängern hingegen sind es nur knapp 68 Prozent. Betrachtet man nur die Kinder von freiwillig in der gesetzlichen Krankenkasse versicherten Arbeitnehmern (Jahreseinkommen mindes- tens: 60.750 Euro), kommt man auf knapp 83 Prozent der Kinder, deren Gebiss bis zum sechsten Geburtstag einwandfrei ist.
Der Report zeigt auch ein Stadt-land-gefälle beim Gesundheitszustand der Bürger: In kreisfreien Städten kommen Herz- und Zuckerkrankheit, Fettleibigkeit bei Kindern und Hepatitis C häufiger vor als auf dem Land. Die Lebenserwartung wiederum ist in den Städten niedriger als auf dem Land.
Kassenchef Günter Wältermann ist angesichts der Daten alarmiert und sieht Handlungsbedarf. Die AOK sei in der Verantwortung, „besonders in strukturschwachen Räumen aktiv zu werden, um auch dort eine adäquate Gesundheitsversorgung sicherzustellen und weiterzuentwickeln – auf dem Land genauso wie in der Stadt“. Für den strukturschwachen städtischen Raum gelte es, niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten zur Gesundheitsversorgung zu schaffen, die auch die Mehrsprachigkeit berücksichtigten, außerdem die Gesundheitskompetenz zu stärken und das Versorgungsangebot zu erweitern.
Der Zusammenhang zwischen der Einkommenssituation und dem Gesundheitszustand der Menschen lässt sich dem Aok-report zufolge von der Geburt bis ins hohe Alter belegen. Männer, die nur über eine Rente von 800 Euro oder weniger verfügen, benötigen im Durchschnitt mit 74 Jahren bereits eine Pflegestufe. Im Korridor eines Renteneinkommens von 800 bis 1600 Euro liegt das Eintrittsalter in die Pflege bei gut 77 Jahren. Wer mehr als 1600 Euro pro Monat Rente erhält, wird erst mit etwa 81 Jahren zum Pflegefall. „Soziale Unterschiede, höherer Anteil von Migranten und ein geringer Versorgungsgrad beeinflussen die Gesundheitschancen erheblich“, resümiert Wältermann.
Die großenvolkskrankheiten sind insgesamt auf dem Vormarsch. So zählte die AOK Rheinland/hamburg für das Jahr 2010 bei allen ihren Versicherten (Arbeitnehmer, Hartz-iv-empfänger und Rentner) einen Anteil von 9,3 Prozent, die an Diabetes Typ 2 leiden. Im Jahr 2017 verzeichnete die Kasse bereits 11,3 Prozent ihrer Versicherten mit dieser Diagnose. Leitartikel