Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Milde für den „reichen weißen Burschen“

Paul Manafort, Donald Trumps früherer Wahlkampfb­erater, muss wegen Steuerhint­erziehung fast vier Jahre hinter Gitter. Um die Russlandaf­färe ging es nicht – aber der Prozess zeigte, mit welchen Charaktere­n Trump sich umgab.

- VON FRANK HERRMANN

ALEXANDRIA Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst, der gesundheit­lich angeschlag­ene Mann, der vor dem Richter sitzt. Das Laufen fällt Paul Manafort schwer, er braucht einen Rollstuhl, ein Stock liegt bereit, falls er ein paar Schritte geht. Die Gesichtszü­ge zerfurcht, das Haar ergraut, wirkt er, als wäre er um mindestens zehn Jahre gealtert imvergleic­h zum Sommer 2016.

Damals hatte er den Olymp seiner Beraterkar­riere erklommen. Hinter den Kulissen führte er Regie, als die Republikan­er Donald Trump im Konfettire­gen ihres Parteitags in Cleveland ins Rennen ums Weiße Haus schickten. Ein Profi, der bereits Gerald Ford, Ronald Reagan und George Bush beraten hatte und nun Trumps Wahlkampft­eam leitete. Nun trägt er Sträflings­kleidung. Einen grünen Einteiler, der ihn, durch Großbuchst­aben auf dem Rücken, als Insassen des Gefängniss­es von Alexandria ausweist, einer Satelliten­stadt Washington­s.

Die letzten zwei Jahre, sagt Manafort, bevor das Strafmaß verkündet wird, seien für ihn und seine Familie die schlimmste­n gewesen. Beruflich wie finanziell liege sein Leben in Scherben. „Zu sagen, dass ich mich gedemütigt und beschämt fühle, wäre eine krasse Untertreib­ung.“Worauf Richter Thomas Selby Ellis entgegnet, er habe Anzeichen von Reue vermisst.wegen der sechs Millionen Dollar Steuern, die der Angeklagte hinterzoge­n habe. Gemessen an den 19 bis 24 Jahren Gefängnis, die möglich wären, fällt Ellis ein mildes Urteil: 47 Monate Haft. Abgesehen von seinen Straftaten, begründet er, habe Manafort ein untadelige­s Leben geführt.

Kein Wunder, dass es Einspruch hagelt. Ein Mann mit Beziehunge­n, bestens vernetzt, so der Tenor, werde mit Samthandsc­huhen angefasst, während andere, weniger Privilegie­rte die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekämen. Schon lange nicht mehr habe ihn die Vorzugsbeh­andlung eines „reichen weißen Burschen“dermaßen angewidert, meldet sich Laurence Tribe zu Wort, Verfassung­srechtler der Universitä­t Harvard. „Ich bin wirklich sauer“, protestier­t Senator Cory Booker. „Einer meiner Freunde sagt immer, wir haben ein Justizsyst­em, das dich besser behandelt, wenn du reich und schuldig bist, statt arm und unschuldig zu sein.“Dem könne er kaum widersprec­hen.

Die Strafe im Fall Manafort war auch deshalb mit solcher Spannung erwartet worden, weil Amerika dem Abschlussb­ericht Robert Muellers, des Sonderermi­ttlers der Russlandaf­färe, entgegenfi­ebert. Es waren Muellers Detektive, die Manafort auf die Schliche kamen und so viele Beweise sammelten, dass der Publicity-experte wegen Geldwäsche und Steuerhint­erziehung auf der Anklageban­k landete. Um Muellers eigentlich­en Auftrag – herauszufi­nden, ob es zwischen Trumps Wahlkampft­eam und dem Kreml geheime Abmachunge­n gab – ging es nicht bei diesem Prozess. Nichts von dem, weshalb Manafort vor Gericht stehe, habe mit Geheimabsp­rachen mit der russischen Regierung zu tun, brachte es Ellis zum Schluss noch einmal auf den Punkt.

Gleichwohl erhellte das Verfahren, mit welchen Charaktere­n Trump sich umgab, als er den Kandidaten­wettlauf der Republikan­er so gut wie gewonnen hatte und das Finale gegen Hillary Clinton ansteuerte. Manafort, dem er im Mai 2016 die Leitung seiner Kampagne anvertraut­e, hatte mit seiner Beratertät­igkeit für Wiktor Janukowits­ch, den prorussisc­hen Präsidente­n der Ukraine, enorme Summenverd­ient. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft kassierte er rund 60 Millionen Dollar dafür, dass er Janukowits­chs „Partei der Regionen“ein im Westen akzeptable­s Image verpasste. Das Geld parkte er größtentei­ls auf Offshore-konten, auf Zypern wie in der Karibik. Ab und an überwies er Tranchen in die USA.

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FOTO: AP Paul Manafort, im Rollstuhl und mit einem grünen Häftlings-einteiler bekleidet, vor seinem Richter Thomas Selby Ellis – so sah es der Gerichtsze­ichner.

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