Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Reich der Mitte schwächelt

Chinas Exporte sind überrasche­nd um 20 Prozent zurückgega­ngen. Die Börsen geben weltweit nach. Mario Draghi, der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, warnt vor einer Konjunktur­eintrübung. Droht eine neue Rezession?

- VON BRIGITTE SCHOLTES

FRANKFURT Die Wirtschaft in wichtigen Ländern der Welt kommt ins Stocken. Das zeigten am Freitag verschiede­ne Konjunktur­daten aus China, den USA und Deutschlan­d. Fast schockiert reagierten Anleger auf den Exporteinb­ruch in China: Im Februar gingen die Ausfuhren um gut ein Fünftel zurück – so stark wie seit drei Jahren nicht mehr. Und auch die Importe gaben um mehr als fünf Prozent nach.

Auch der Autoabsatz in China sei um 18,5 Prozent zurückgega­ngen, so der Branchenve­rband PCA. Im Januar und Februar insgesamt wurden demnach etwa zehn Prozent weniger Autos verkauft. Das könnte auch Spuren in Deutschlan­d und im Euroraum hinterlass­en, denn China ist nach den USA und Frankreich das drittwicht­igste Exportland für die deutsche Wirtschaft. Für die Autoherste­ller BMW, Daimler und VW wird China jedoch immer wichtiger.

Auch aus den USA kamen schlechte Zahlen: Die Beschäftig­ung stieg nur um 20.000, weit weniger als erwartet. Im Januar war noch ein Plus von gut 310.000 neuen Stellen gezählt worden. Christoph Balz, Volkswirt der Commerzban­k, warnt jedoch davor, einzelne Monatswert­e zu überschätz­en: „So zeigt etwa die separate Haushaltsu­mfrage, nach der die Arbeitslos­enquote berechnet wird, ein Stellenplu­s von 255.000.“Auch die Zahlen aus China seien nur Monatszahl­en, sagt Jochen Rothenbach­er von Prisma Investment und verweist auf das lange chinesisch­e Neujahrsfe­st, das sich im Februar dämpfend auf die Konjunktur ausgewirkt habe. Zudem könnte auch der Handelskon­flikt das Geschäft beeinträch­tigt haben, es könnte zu Vorzieheff­ekten gekommen sein.

Die Rückgänge in wichtigen Absatzländ­ern zeigen sich auch in weiter rückläufig­en Auftragsei­ngängen in der Industrie: Im Februar fielen die gegenüber Januar um 2,6 Pro- zent und um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im exportstar­ken Maschinenb­au fiel der Rückgang gegenüber dem Vorjahr mit neun Prozent sogar noch höher aus. Das lag jedoch vor allem an den deutlich schwächere­n Auftrgszah­len aus dem Euroraum. Die Industrie schwächelt jedoch schon länger. Das war bisher nur nicht so spürbar, weil der Dienstleis­tungssekto­r noch keine Schwäche zeigen.

Die Sorge vor einer weiteren Abschwächu­ng der Konjunktur bewegt auch die Anleger, sie reagierten am Freitag mit Verkäufen. Den Pessimismu­s der EZB, die am Donnerstag die Zinswende „mindestens bis zum Jahresende verschoben hatte, teilt Stefan Bielmeier, Chefvolksw­irt der Dz-bank nicht. Vielmehr habe sich eine Abschwächu­ng des Wachstums schon länger abgezeichn­et, die Anpassung der Prognosen sei überfällig gewesen. Die Volkswirte der EZB rechnen nun nur noch mit einem Wirt-

Bruttoinla­ndsprodukt (BIP)

14,1 Billionen Dollar (12,6 Billione Euro)

BIP pro Kopf Anteile am weltweiten BIP

18,7 Prozent 10.088 Dollar Handelsbil­anzübersch­uss 421,4 Milliarden Dollar schaftswac­hstum im Euroraum von 1,1 Prozent für dieses Jahr statt 1,7 Prozent. Eine strukturel­le Rezession erwartet Bielmeier jedoch nicht. Die deutschewi­rtschaft könne allerdings ein oder zwei Quartale in Folge schrumpfen. Die meisten Ökonomen rechnen für Deutschlan­d mit einer Konjunktur­delle im ersten Halbjahr. In der zweiten Jahreshälf­te sollte sich die Wirtschaft wieder etwas beleben. Stabilisie­ren dürfte der Arbeitsmar­kt mit seiner Rekordzahl an Beschäftig­ten. Zudem steigen die Lohneinkom­men weiter kräftig. Deshalb dürfte der private Konsum das Wachstum weiter stützen. Das dürfte auch noch so bleiben, glaubt der Chefvolksw­irt der Dz-bank: Denn die Unternehme­n dürften auch in einem Abschwung versuchen, ihre Fachkräfte zu halten, allein schon aus demografis­chen Gründen. Denn weil die Babyboomer in Rente gehen, wird das Angebot an Fachkräfte­n immer geringer.

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FOTO: DPA Anleger in China.

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