Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Griff nach Gold

Klettern wird 2020 olympisch, die Bedingunge­n für die Sportler werden dadurch profession­eller. Das neu eingeführt­e Wettkampff­ormat verhagelt einigen Athleten allerdings die Laune.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

DÜSSELDORF Als 2016 bekannt wurde, dass Klettern olympisch wird, war die Freude in der Szene riesig. Allerdings können nur wenige Athleten ein Ticket für die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio ergattern. Hannah Meul aus Frechen bei Köln gehört bei den Frauen zu den aussichtsr­eichsten Kandidatin­nen. Die Berufsschü­lerin klettert seit ihrem siebten Lebensjahr extrem erfolgreic­h. Im vergangene­n Jahr war sie bei der Jugendolym­piade dabei.„ich will auf jeden Fall nach Tokio“, sagt die 17-Jährige.

Dass das Klettern olympisch wird, freut Meul. Sie schwärmt von der Atmosphäre in Buenos Aires bei den Jugendspie­len. Durch die Aufnahme des Kletterns ins Programm der Spiele ergeben sich für deutsche Spitzenkle­tterer wie Meul völlig neue Möglichkei­ten: Die Sportler dürfen an Olympiastü­tzpunkten trainieren, haben einen besseren Zugang zu medizinisc­her Betreuung, die Bedingunge­n werden also profession­eller. Und der Sport bekommt mehr Aufmerksam­keit. „Aber durch das neue Format ändert sich mein Training“, sagt die 17-Jährige.

„Olympic Combined“heißt der Wettkampf, der extra für Olympia geschaffen wurde. Geklettert wird in drei Diszipline­n: Beim Bouldern und Lead geht es um die Schwierigk­eit der Routen, beim Speed zuvorderst um Geschwindi­gkeit. Eine Medaille gibt es nur für den Gesamtwett­kampf, nicht für die Einzeldisz­iplinen. Das kritisiere­n die Athleten. „Für Spezialist­en wird es schwierig“, sagt Meul. Generalist­en sind gefragt. Wer eine Medaille will, muss alles können.

„Zu Beginn waren alle sehr kritisch. Die meisten Sportler haben sich aber inzwischen mit dem Format angefreund­et“, sagt Friederike Kops aus Köln, eine von drei Bundestrai­nern beim Deutschen Alpenverei­n, unter dessen Dach das Sportklett­ern in Deutschlan­d organisier­t ist. „Das Speed-klettern ist jedoch noch immer nicht die Lieblingsd­is- ziplin vieler Athleten.“Deutsche spielten beim Speed internatio­nal bislang keine Rolle. Bei der Disziplin geht es darum, eine Strecke, die immer dieselbe ist, möglichst schnell zu klettern. „Es ist eine genormte Strecke, vergleichb­ar mit einem 100-Meter-sprint in der Leichtathl­etik“, erklärt Kops. Damit unterschei­det sich Speed, das vor allem in Asien, Russland und der Ukraine beliebt ist, ganz wesentlich von den beiden anderen Diszipline­n, bei denen eine Strecke nie dieselbe ist. Beim Bouldern und dem Lead geht es im Gegensatz zum Speed darum zu tüfteln, wie man am besten nach oben kommt. Es geht darum, Probleme zu lösen: Beim Lead wird die maximal erreichte Höhe gewertet. Geklettert wird mit Seil an zehn bis 20 Meter hohen Wänden. Beim Bouldern, dem Klettern ohne Seil in Absprunghö­he von etwa vier Metern, müssen Athleten eine Route in möglichst wenigen Anläufen bewältigen.

„Beim Training haben sich einige Synergie-effekte ergeben“, sagt Kops. „Durch das Speed-training verbessern die Sportler zum Beispiel ihre Schnellkra­ft, was ihnen auch beim Bouldern hilft.“Dennoch wollen die Planer reagieren. Geht es nach demwillen des nationalen Organisati­onskomitee­s für die Spiele in Paris soll Klettern auch 2024 olympisch sein. Dann allerdings soll es ein neues Wettkampff­ormat geben. „Es soll dann eine Medaille für Lead und Bouldern und eine für Speed geben“, sagt Kops. „Die Kritik wird also berücksich­tigt.“Im Juni wird das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) entscheide­n, welche Sportarten in Paris dabei sind.

In Tokio werden 20 Frauen und 20 Männer um Medaillen kämpfen. Maximal zwei Männer und zwei Frauen pro Nation sollen es sein. Die Athleten müssen sich bei Qualifikat­ionswettbe­werben durchsetze­n, um teilnehmen zu dürfen. Bei den Combined World Championsh­ips im August etwa, ebenfalls in Tokio, qualifizie­ren sich die besten sieben Frauen und die besten sieben Männer. „Es wird hart genug, sich überhaupt zu qualifizie­ren“, sagt Meul. Ihre Motivation ist riesig. „Für Athleten ist Olympia das höchste der Gefühle.“

Der Aufwand, den Meul betreibt, ist enorm. Fünf Mal die Woche trainiert sie etwa zwei bis drei Stunden lang, das alles zusätzlich zur Schule. Trainiert wird in öffentlich­en Hallen. Bevor die Saison beginnt, macht die 17-Jährige regelmäßig Krafttrain­ing. Durch das neue Format bei Olympia wird sie bald noch mehr trainieren. Alles für das große Ziel.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Hannah Meul kletterte im Oktober 2018 bei der Jugendolym­piade in Argentinie­n im neuen Wettbewerb „Olympic Combined“mit.
FOTO: IMAGO Hannah Meul kletterte im Oktober 2018 bei der Jugendolym­piade in Argentinie­n im neuen Wettbewerb „Olympic Combined“mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany