Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kinder lernen Selbstbewu­sstsein

Ein Trainer des Vereins „Gewaltfrei lernen“zeigte den Grundschül­ern an der Kreuzschul­e, wie sie Streit ohne körperlich­e und verbale Schikanen lösen und sich selbst behaupten können. Das Ziel: Konflikte sollen nicht eskalieren.

- VON JULIA ROMMELFANG­ER

NEUSS Die„stopp-regel“beherrscht Christina aus dem Effeff. „Halt, hör‘ auf, lass mich los, ich will das nicht“, ruft die Siebenjähr­ige laut, und sieht ihrer Klassenkam­eradin Mirella, die ihr an die Schultern packt, dabei fest in die Augen. Mirella lässt von ihr ab und Christina geht auf Sicherheit­sabstand. „Gut gemacht“, lobt Gewaltfrei-lernen“-trainer Jan Spicher. Die beiden Zweitkläss­lerinnen sind nämlich nicht wirklich aneinander geraten, sondern üben, wie sie einen echten Streit auf dem Pausenhof oder im Klassenrau­m ohne körperlich­e Gewalt, Beleidigun­gen oder Wutausbrüc­he lösen oder sogar ganz vermeiden können.

„Spaßkämpfe sind bei Grundschül­ern sehr beliebt“, sagt Lehrerin Barbara Schieffer. Auch, weil ein solches Gerangel leicht eskalieren und zu ernsthafte­n Verletzung­en führen kann, hat sich die Kreuzschul­e, wie bereits mehrere Schulen im RheinKreis, für ein Anti-konflikt-training des Kölner Vereins „Gewaltfrei lernen“entschiede­n. „Wir wollen die sozialen Aspekte im Schullallt­ag, die bei uns schon existieren – Streitschl­ichter, Klassenrat oder das Schülerpar­lament – mit dem Training ausbauen und allen Schülern zugänglich machen“, sagt Schulleite­rin Ute Müller. So erfahren alle 250 Schüler in drei 90-minütigen Schulungen mit Jan Spicher die wichtigste­n Regeln zum konfliktfr­eien Umgang miteinande­r. „Der Streit soll nicht größer, sondern kleiner werden und gewaltfrei bleiben“, erklärt er.

Heute ist die Klasse 2a an der Reihe. Die 21 Mädchen und acht Jungen stellen sich im Kreis auf. Um einen Angriff abzuwehren, brauchen alle Kinder ihre „Gecko-hände“– die Hände nach vorne ausstrecke­n, die Finger spreizen und eine eindeutige Botschaft an den Angreifer richten, erklärt Trainer Jan Spicher. „Halt, tritt mich nicht“, „Stopp, zieh mir nicht an den Haaren“, „Hör‘ auf mich zu kneifen“. Jeden Satz spricht erst ein Schüler alleine, dann sagen ihn alle gemeinsam. Selbstbeha­up- tung soll insbesonde­re schüchtern­e Schüler in ihrer Persönlich­keit stärken, sagt Spicher. „Die erste Waffe ist eure Körperhalt­ung, die zweite der Laserblick, die dritte die Bohrerstim­me“, bringt der 37 Jahre alte Diplomspor­twissensch­aftler und Yogalehrer den Zweitkläss­lern bei. Anschließe­nd erfahren die Kinder ein Geheimnis, das eigentlich keines sei, so Spicher. „Jeder von uns ist etwas Besonderes – jeder ist ein Schatz. Jedes Kind soll sich auf diese Weise selbst und auch alle anderen wertschätz­en und niemanden ausgrenzen“, erklärt der Trainer.

Unterstütz­t wurde die Kreuzschul­e bei der Finanzieru­ng des mehr als 6000 Euro teuren Trainings von der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-bank West. Die Stiftung hat bereits mehr als 160 Schulen in NRW bei der Finanzieru­ng des „Gewaltfrei lernen“-projekts unterstütz­t. Das Besondere: Nicht nur die Schüler nehmen teil, sondern der Verein holt auch Lehrer, OGS-MITarbeite­r und Eltern mit ins Boot.

 ?? NGZ-FOTO: WOI ?? „Gewaltfrei lernen“-trainer Jan Spicher zeigt den Kindern an der Kreuzschul­e, wie sie sich in Konfliktsi­tuationen verhalten sollten.
NGZ-FOTO: WOI „Gewaltfrei lernen“-trainer Jan Spicher zeigt den Kindern an der Kreuzschul­e, wie sie sich in Konfliktsi­tuationen verhalten sollten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany