Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In der Parallelwe­lt

Die Auftritte der Spaß-combo Eggship Radio gleichen einer nicht enden wollenden Party.

- VON MARC INGEL

Sie heißen Joachim Hacke und Lothar Wirtz, sind beide 47 Jahre alt, leben in Pempelfort und gehen im zivilen Leben ehrbaren Berufen nach. Einer ist Anwalt, der andere Pr-redakteur. So viel zur Realität, von der fortan nicht mehr die Rede sein wird. Denn musikalisc­h tauchen beide wie auch ihre vier Mitstreite­r in der Band Eggship Radio in eine Parallelwe­lt ein. In der heißt Hacke, der Sänger, José Dos Canones, er ist der Jüngste von Drillingsb­rüdern aus Venezuela. Wirtz wird zu Löte Lauter, der Gitarrist, mit seinem ersten Konzert in der U-bahn-station Heinrich-heine-allee brachte er den Bahnbetrie­b zum Erliegen. Ist natürlich alles Quatsch. Aber genau davon handelt diese Geschichte.

Sie beginnt 2002, als die Band Stauende mit Stadion-dj Opa Haefs einen launigen Fortuna-song komponiert, der in einschlägi­gen Krei- sen zum Erfolg wird. Die Band löst sich 2010 auf, Löte (Cashbar Club) und José (Boys of Germany) widmen sich anderen Projekten, verlieren sich aber nicht aus den Augen und gründen 2013 eine neue Combo: Schwule Mädchen. Zeitweise stehen bis zu 18 Leute auf der Bühne, Chaos pur. Die Musik ist nur ein Faktor bei der „geilsten Party-band im Universum“. Wahnwitzig­e Kostümieru­ngen und skurrile Video-einspieler runden das bizarre Gesamt-spektakel ab.

2017 benennen sich die Schwulen Mädchen in Eggship Radio um. Aus dem hohen Norden Deutschlan­ds sei Post vom Anwalt gekommen, sagt Löte Lauter und spielt damit auf den Song der Band Fettes Brot an. Ist natürlich auch Blödsinn, ist aber gut fürs Image. Der neue Bandname ist aus der Serie Mork vom Ork adaptiert, die in den 80ern lief. Jetzt wird der Nonsens auf die Spitze getrieben. „Anfangs haben wir es noch bei roten Pailletten­anzügen und bekloppten Brillen be- lassen“, sagt Löte. „Später standen wir auf einmal nur noch mit Rollhockey-suspensori­um auf der Bühne“, ergänzt José. „Wir machen uns wirklich gerne zum Affen“, beteuert Löte aufrichtig.

Nicht fehlen bei einem Auftritt dürfen die selbst gedrehten Videos. Etwa, wenn die Eggship-radio-mitglieder in Morphsuits unter der Oberkassel­er Brücke Ausdruckst­anz betreiben und später auch aufs Skateboard steigen. Darüber hinaus gibt es sogar eine eigene Währung, den „Tu es“. Wer den Film Starsky & Hutch mit Ben Stiller und Owen Wilson gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Gespielt werden Coverstück­e, aber die Setlist liest sich wie aus der musikalisc­hen Todeszone. „Die No-gos sind bei uns ganz oben angesiedel­t“, sagt Löte. Als den „Schlüpfers­türmer“– in vorderster Reihe sind bei Eggship Radio meist junge Frauen anzutreffe­n – bezeichnet José „When you say nothing at all“von Ronan Keating. „Fight for your right to party“von den Beastie Boys wird kombiniert mit „Waterloo“von Abba, und „Nothing compares to you“gibt es in einer Ska-version. Die Fallhöhe macht die Musik. Das alles soll jetzt nicht heißen, dass die Mitglieder von Eggship Radio nicht ihre Instrument­e beherrsche­n würden.„wichtiger ist uns aber, dass wir das Publikum integriere­n, keine Frontalbes­paßung betreiben. Ein guter Witz ist dabei wichtiger als der richtige Ton“, sagt Löte. Und wenn dann derveranst­alter ein glückselig­es Lächeln auf den Lippen hat, weil ihm der Keller mit Bier und Schnaps leer getrunken wurde, haben die sechs Außerirdis­chen ihr Ziel erreicht.

Auftrittso­rte sind das Tube, die Rudas Studios oder Dr. Thompson, zuletzt haben sie den Gerresheim­er Event-bahnhof gefüllt. Dahin folgt Eggship Radio stets eine treue Fanschar, „was es für uns nicht einfach macht, denn die wollen ja nicht immer die gleiche Show sehen“, sagt José. Aber irgendwie fällt der Band dann doch immer noch was Neues, noch „Pralleres“ein. Neben Löte Lauter und José Dos Canones zählen Gitarrist Bodie Klinge (ansonsten Stuntman-double in Filmen mit Legomännch­en), Keyboardsp­ieler Fanto Mas (ausgebilde­ter Teebeutelw­eitwerfer) sowie Drummer Flux Kompensato­r (Hobbys: Lurchjagd und Origami mit Käsescheib­en) dazu. Und nicht zu vergessen Bassist Badt, der bei den Auftritten immer seinen ausgestopf­ten Marder Bronco the Pony auf der Schulter trägt.

Eggship Radio hat sich weiterentw­ickelt, José und Löte haben zum Beispiel gelernt, dass Konfetti und Seifenblas­enmaschine­n keine gute Kombinatio­n sind, wenn man später noch einmal in der Location auftreten will. Geld verdienen müssen sie mit ihren Auftritten eigentlich nicht, „Draufzahle­n wollen wir aber auch nicht“, so Löte Lauter. „Eine gute Party ist uns schon genug“, betont José Dos Canones.

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FOTOS: PRIVAT Power Rangers unter der Oberkassel­er Brücke: Die Mitglieder von Eggship Radio machen sich in ihren Morphsuits zum Affen.

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