Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kalenderblatt 9. März 1422
Der hussitische Prediger Jan Želivský war durch den ersten Prager Fenstersturz im Sommer 1419 in Böhmen berühmt geworden. Er hatte die Aktion angeführt, bei der eine aufgebrachte Menge zehn Personen aus dem Rathaus von Prag geworfen hatte. Die Anhänger des Reformators Jan Hus, der bereits 1415 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gestorben war, wollten gegen die Inhaftierung ihrer Glaubensgenossen protestieren. Sie zogen vor das Rathaus und stießen unter anderem den Bürgermeister und zwei Ratsherren aus dem Fenster. Wer überlebte, wurde am Boden getötet. Der Prager Fenstersturz gilt heute als Schlüsselereignis der so genannten Hussitenkriege (1419 bis 1436). Želivský wurde dadurch zu einem der beliebtesten Anführer der Hussiten. Doch der Prediger galt auch als radikal und er nutzte die Unterstützung desvolkes, um immer mehr Macht in Prag an sich zu reißen. 1422 gewannen seine Gegner die Oberhand. Im März wurde Želivský der Prozess gemacht. Unter anderem warfen seine Ankläger ihm Gewalttaten während seiner Regentschaft vor. Am 9. März 1422 wurde Želivský durch das Schwert hingerichtet. Seine noch immer zahlreichen Anhänger tobten. In Prag brachen blutige Unruhen aus, die sich vor allem gegen das jüdische Viertel richteten – obwohl die Juden an dem Tod des Hussiten keine Schuld traf. Jan Želivský wurde in der Prager Kirche Sankt Maria Schnee beigesetzt, in der er seit 1419 gepredigt hatte.