Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Wie Firmen ihre Bewerber prüfen
Inzwischen spricht man in Persönlichkeitstests manchmal mit Computern. Doch wie sind solche Tests einzuschätzen?
PERSÖNLICHKEITSTESTS
Die Bewerbung hat offenbar Interesse geweckt: Am Telefon ist der potenzielle neue Arbeitgeber, das erhoffte Vorstellungsgespräch ist zumgreifen nah. Doch dann heißt es: Wir würden mit Ihnen gern einen kleinentestmachen, bevorwir uns persönlich kennenlernen.
Gemeint sind Eignungsverfahren, mit denen Unternehmenmehr überkandidaten erfahrenmöchten.„sobald es um Führungsaufgaben, eine Teamoder Abteilungsleitung geht, werden solche Tests sehr breit verwendet“, sagt Wolfram C. Tröger, Vorsitzender des Fachverbandes Personalberatung.
Mal müssen die Job-anwärter Online-fragebögen zu Verhaltensweisen und Gewohnheiten im Berufsleben beantworten, mal sich und der angestrebten Stelle per Mausklick bestimmte Eigenschaften zuordnen, mal ihre Zu- oderabneigung zu geometrischen Formen übermitteln. Und neuerdings lassen mancheunternehmen sie auchmit einemcomputer telefonieren, der kleinste Eigenheiten des Sprachverhaltens misst und mit abertausend Ergebnissen andererkandidaten abgleicht.
Der Computer fordert den Bewerber zum Beispiel auf, zu erzählen, was ihm im Berufsleben Spaß macht. „Wichtig ist, dass der Kandidat zehn bis 15 Minuten frei redet“, sagt Thomas Belker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Personalmanager und Personalvorstand der Talanx Service AG. Der Versicherungskonzern setzt die Software bereits ein. Sie untersucht dann das sich ergebende digitale Bild auf Muster, die psychologische Merkmale repräsentieren.
Besonders häufig imeinsatz ist allerdings der sogenannte Myers-briggs-typen-indikator (MBTI), wie eine 2015 veröffentlichte Umfrage der Ruhr-universität Bochum unter 120 Unternehmen ergab. Der MBTI geht auf den Psychiater Carl Gustav Jung zurück und teilt Menschen in 16 ver- schiedene Persönlichkeitstypen ein. Dicht dahinterkommt das in den späten 20er Jahren entwickelte Disg-modell, das vier Persönlichkeitstypen benennt, denen jeweils eine be- stimmte Farbe zugeordnet ist. Über beide Methoden fällt der Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep jedoch ein vernichtendes Urteil: „Solche Kategorisierungen halte ich durchaus für abenteuerlich“, sagt der Leiter des Projektteams Testentwicklung an der Uni Bochum. Auch die erwähnte Sprachsoftware sei ein „völliges Unding“. Ein ordentliches Testverfahren müsse der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden, so dass es transparent und nachvollziehbar sei.
Hossiep undkollegen haben zum Beispiel selbst einen Test entwickelt: das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP). Es enthält 210 Aussagen zu persönlichen Verhaltensweisen und Gewohnheiten mit Bezug zum Berufsleben. Der Kandidat kann sie mittels einer sechsfach abgestuften Skala bewerten.
Doch wie können Bewerber mit den teilsundurchsichtigen Tests umgehen?„seien Sie ganz Sie selbst“, räthossiep. Es gehe nicht ums Bestehen, sondern um das Erkennen von Kompetenzenund Fähigkeiten für den Job, sagt Personalberater Tröger. „Ansonsten erziele ich vielleicht ein Ergebnis, das nicht zu mir passt, und ich lande dann in einem Job, der zu mir nicht passt“.
Immerhin: Keiner der drei befragten Fachleute gesteht den Tests zu, alleiniges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen einen Bewerber für eine Stelle zu sein. Alle drei raten dringend dazu, sich im Nachgang immer das Testergebnis von einem Experten erläutern zu lassen.