Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Salafisten haben Mädchen im Visier

Knapp ein Viertel der Hilfesuche­nden, die sich an das Prävention­sprogramm „Wegweiser“gewandt haben, sind weiblich. Minderjähr­ige sind besonders stark gefährdet.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Auffallend viele Frauen und Minderjähr­ige haben Sorge, in den Salafismus abzurutsch­en. Nach Angaben des nordrhein-westfälisc­hen Innenminis­teriums haben bereits 180 Frauen sowie 110 Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren beim Prävention­sprogramm „Wegweiser“Hilfe gesucht. Darüber hinaus wurden 15 Mädchen beraten, die jünger waren als 14 Jahre.

Der Gesamtante­il an Frauen, die das Programm der Landesregi­erung bisher genutzt haben, liegt damit mit 23 Prozent bei fast einem Viertel. Rund 75 Prozent aller 810 als unmittelba­r gefährdet eingestuft­en Personen, die sich an „Wegweiser“gewandt haben, sind Kinder und Jugendlich­e im Alter zwischen 14 und bis 17 Jahren – 15 Prozent davon waren sogar unter 14 Jahren.

„Wegweiser“ist das Prävention­sprogramm des nordrhein-westfälisc­he Verfassung­sschutzes gegen gewaltbere­iten Salafismus. Die Einrichtun­g gibt es bereits seit fünf Jahren. Es gibt bislang 17 Beratungs- stellen im Land – unter anderem in Düsseldorf, Dinslaken und Gelsenkirc­hen. Acht weitere Anlaufstel­len sind geplant. „Außerdem laufen derzeit die Vorbereitu­ngen für den Start von ,Wegweiser-online’ , mit dem die Zielgruppe im Netz angesproch­en wird“, sagte die Sprecherin des Innenminis­teriums.

Seit 2014 hat es laut Innenminis­terium rund 17.000 Kontaktauf­nah- men in den Anlaufstel­len gegeben. Unter den Hilfesuche­nden seien 810 Personen gewesen, die unmittelba­r vom Abrutschen in den Salafismus betroffen waren. „In einer Vielzahl der Fälle wenden sich Personen aus dem unmittelba­ren Umfeld von betroffene­n Jugendlich­en, wie Eltern, Lehrer oder Freunde an Wegweiser“, erklärte die Ministeriu­mssprecher­in.

Gemeinsam mit den Ausstiegsw­illigen werden dann neue Lebenspers­pektiven erarbeitet. Die Beratungen finden je nach Einzelfall in den Beratungss­tellen oder öffentlich­en Räumen wie Cafés, Schulen oder auch in Parks statt. „80 bis 90 Prozent aller Beratungen nahmen einen positiven Verlauf“, sagte eine Sprecherin des Ministeriu­ms unserer Redaktion.

Nach Zurückdrän­gung des Islamische­n Staates (IS) im Irak und in Syrien wächst in Deutschlan­d unterdesse­n die Sorge vor radikalisi­erten Rückkehrer­n.von den 260 aus NRW in Kampfgebie­te ausgereist­en Personen sind nach Angaben des Verfassung­sschutzes bislang rund 80 zurückgeke­hrt – darunter mindestens acht Frauen mit 20 Kindern. Besonders diese radikalisi­erten Mütter und ihre Kinder stellten nach Erkenntnis­sen der Sicherheit­sbehörden eine wachsende Gefahr dar. Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) warnte bereits mehrfach, dass sich im Land extremisti­sche und hoch radikalisi­erte Kinder aufhielten, die von ihrem Aufenthalt im Is-gebiet geprägt seien.

NRW gilt nach wie vor als Hochburg des Salafismus in Deutschlan­d. Von den rund 3000 hier lebenden Salafisten (darunter zehn Prozent Frauen) gelten rund 850 als gewaltbere­it. Bis vor wenigen Jahren waren radikalisi­erte Frauen noch nicht im Visier der Sicherheit­sbehörden. Laut Innenminis­terium spielen sie innerhalb der Szene mittlerwei­le aber eine immer wichtigere Rolle – etwa bei der Verbreitun­g islamistis­cher Propaganda. „In den sozialen Netzwerken geben sie Anleitunge­n zur Kindererzi­ehung und den Unterricht“, sagt ein szenekundi­ger Polizist. Leitartike­l

Newspapers in German

Newspapers from Germany