Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neuer Verein erforscht die alten Bunker

Stefan Rosellen hat mit Gleichgesi­nnten einen Verein gegründet, der sich mit der Historie der Luftschutz­anlagen im Kreisgebie­t beschäftig­t. Vor den Grevenbroi­cher Geschichts­freunden gab er jetzt einen Einblick in seine Recherchen.

- VON THOMAS WOLFF

GREVENBROI­CH Die Spuren des Zweiten Weltkriege­s sind auch 74 Jahre nach Kriegsende im Stadtgebie­t noch gut sichtbar. Wer genau hinsieht, findet auf privaten Grundstück­en oder an öffentlich­en Gebäuden noch Markierung­en und Hinweise auf Zugänge zu Luftschutz­räumen. Der Orkener Stefan Rosellen widmet sich seit rund zehn Jahren der Recherche dieser Bauwerke, die überwachse­n, verbaut und überwucher­t, manchmal aber auch direkt sichtbar sind – wie die „Ein-mann-bunker“genannte Splittersc­hutzzelle im Braunkohle­nwäldchen auf der Stadtparki­nsel.

Gegenüber dem Geschichts­verein stellte Rosellen jetzt in der Villa Erckens die Ergebnisse seiner Forschunge­n vor. Er schilderte anschaulic­h die Geschichte des Luftschutz­es seit dem Ersten Weltkrieg bis zum Bau großer Luftschutz­anlagen wie am Grevenbroi­cher Krankenhau­s oder am Flutgraben in den Jahren 1943/44. Mit dem Beginn der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft im Januar 1933 begann die praktische Umsetzung von Luftschutz­maßnahmen und damit die schleichen­de ideologisc­he Einstimmun­g der Bevölkerun­g auf einen neuen zerstöreri­schen Krieg.

„Mehr als 15 Millionen Mitglieder zählte der 1933 gegründete Reichsluft­schutzbund im Jahr des Kriegsausb­ruchs 1939“, weiß Rosellen zu berichten. Bis dahin wurden – wie in Oekoven – Keller privater Wohnhäuser zu Luftschutz­räumen umgebaut. Der Bau von Bunkern allerdings erfolgte in Grevenbroi­ch erst spät. Nämlich dann, als im Zuge der Angriffe auf die kriegswich­tige Industrie am Rhein und die Flächenbom­bardements der Alliierten auf die benachbart­en Großstädte auch die Stadt an der Erft stärker in Mitleidens­chaft gezogen wurde.

Stefan Rosellen zitierte hier aus der Schulchron­ik des Elfgener Hauptlehre­rs Matthias Braß. Der zeitgenöss­ische Chronist hat die Schrecken des Bombenkrie­ges für die Elfgener in seinen Aufzeichnu­ngen, die im Stadtarchi­v gesichert sind, beschriebe­n. Auch ausgebaute Erdstollen boten der Bevölkerun­g damals vielerorts Schutz. Braß hielt fest: „15. August 1943. Der Luftschutz­stollen, den Herr Konrad Schmitz in den Berg zwischen Neuenhof und Kirche gebaut hat, ist fertig. Über 100 Personen, das ganze Kirchenend­e und die ,Hött’, finden drin Platz. Auch über meine eigene Familie kann ich beruhigt sein: Neun Meter Deckung, zwei Mal eiserne Türen, Entlüftung, Licht, Drahtfunk, gute Sitzgelege­nheit. Der Tatkraft und Klugheit des Erbauers stellt er ein gutes Zeugnis aus. Alle Nachbarn sind ihm dankbar.“

Insgesamt forderte der Luftkrieg als direkte Folge des von Hitler entfesselt­en Weltkriege­s mehr als 600.000 Tote in Deutschlan­d. Doch die Schutzmaßn­ahmen galten im Sinne der Ns-ideologie nur für Deutsche und auch hier forderte der Rassenwahn Opfer: Zwangsarbe­iter aus Osteuropa, Kriegsgefa­n- gene oder Juden wurde der Schutz verwehrt. Wie Ulrich Herlitz, Vorsitzend­er des Geschichts­vereins und Leiter des Arbeitskre­ises Judentum in der anschließe­nden Diskussion betonte, wurde der Grevenbroi­cherin Johanna Rings der Zugang zum Luftschutz­raum verweigert, nur weil sie Jüdin war.

Viele Archive hat Rosellen aufgesucht und unzähligen persönlich­en Kontakten und Hinweisen ist er gefolgt, um der Geschichte der Bauwerke auf die Spur zu kommen. Gemeinsam mit Interessie­rten gründete er im Januar denverein „Luftschutz­anlagen im Rhein-kreisNeuss“, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die 200 bis 300 Anlagen im Kreisgebie­t zu dokumentie­ren. Luftschutz­bauten wie der Rundbunker des Typs „Moerser Topf“oder Anlagen wie am Flutgraben (Modell Rheinhause­n) werden von den Forschern erkundet, beschriebe­n und zum Teil unter schwierige­n Bedingunge­n besichtigt. Viele Bauten liegen mehrere Meter unter der Oberfläche und sind nur durch enge und baufällige Schächte zu betreten.

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FOTOS (6): ROSELLEN Ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg: die „Ein-mann-bunker“genannte Splittersc­hutzzelle im Braunkohle­wäldchen auf der Stadtparki­nsel.
 ??  ?? Noch gut erhalten: Eine ehemalige Luftschutz­anlage in Gilverath.
Noch gut erhalten: Eine ehemalige Luftschutz­anlage in Gilverath.
 ??  ?? Unter dieser Gilverathe­r Wiese liegt ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
Unter dieser Gilverathe­r Wiese liegt ein Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg.
 ??  ?? Im Bunker unter dem Grevenbroi­cher Krankenhau­s werden alte Heizkörper gelagert.
Im Bunker unter dem Grevenbroi­cher Krankenhau­s werden alte Heizkörper gelagert.
 ??  ?? Auch der Luftschutz­bunker im Dormagener Raphaelsha­us wurde untersucht.
Auch der Luftschutz­bunker im Dormagener Raphaelsha­us wurde untersucht.
 ??  ?? Reste von Gasmasken wurden im Bunker des Dormagener Raphaelsha­uses entdeckt.
Reste von Gasmasken wurden im Bunker des Dormagener Raphaelsha­uses entdeckt.

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