Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pfarrer stirbt bei Abschiedsp­redigt

Der Duisburger Pfarrer Dietrich Köhler-miggel ist während seiner Abschiedsp­redigt in der Kirche zusammenge­brochen und gestorben. Die evangelisc­he Gemeinde ist geschockt, erinnert sich aber mit viel Liebe an den Gottesmann.

- VON TIM HARPERS

DUISBURG Danke Papa. Dietrich. Und daneben ein rotes Herz. Die gläserne Pforte der Jesus-christus-kirche in Duisburg-buchholz ist am Mittwochmo­rgen ein Ort der Trauer. Das kleine, handgeschr­iebene Stück Papier, auf dem dieseworte geschriebe­n stehen, ist der spontane Abschiedsg­ruß von Kindern, die ihren Vater, und Enkelkinde­rn, die ihren geliebten Großvater verloren haben. Aufgeschri­eben am Ende eines furchtbare­n Tages.

Pfarrer Dietrich Köhler-miggel (65) hält gerade seine Abschiedsp­redigt – seine 450 Predigt im Dienst der evangelisc­hen Gemeinde Trinitatis –, als er zusammenbr­icht. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt. Familie und Freunde, Senioren und Kinder, alte Weggefährt­en, von ihm getraute und getaufte Ehepaare: Sie allewollen den letzten Gottesdien­st ihres Pfarrers erleben. Sie sind gekommen, um ihn nach 28 gemeinsame­n Jahren in den Ruhestand zu verabschie­den. Ein großes Fest soll es werden. Imgemeinde­haus steht Suppe bereit. Für einen gemeinsame­nimbiss nach dem Gottesdien­st.

Doch dann kommt alles anders. Pfarrer Köhler-miggel ist am Ende seiner Predigt. Als er den Segen über die Gemeindemi­tglieder spricht, muss er kurz innehalten. Er tritt von der Kanzel weg und will sich hinsetzen. Dann bricht er zusammen – auf den Stufen vor dem Altar. Erst herrscht Totenstill­e in der Kirche, dann eilen Gemeindemi­tglieder herbei, die sich mit Erster Hilfe auskennen, und versuchen, ihm zu helfen. Sie stabilisie­ren ihn, bis der Rettungsdi­enst eintrifft. Dann geht es für den Pfarrer in ein nahegelege­nes Krankenhau­s. Die Ärzte kämpfen um sein Leben. Vergeblich. Am Nachmittag erfährt die Gemeinde, dass ihr Pfarrer seinen Kampf verloren hat. Köhler-miggel hatte seit Jahren ein schwaches Herz.

Am Morgen danach stehen die Kirchentor­e weit offen. Dutzende Kerzen brennen an der Pforte. Die Anteilnahm­e ist groß. Immer wieder kommen Menschen vorbei, um die Tragödie zu verstehen. Sie alle bringen ihre eigenen Erinnerung­en mit. Sie beschreibe­n Köhler-michel als Menschenfi­scher, als liebevolle­n, einfühlsam­en Gottesmann. Als einen, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hatte und der nahe bei den Menschen war.

„Dietrich war ein fröhlicher Mensch“, sagt Presbyteri­n Heike Lingnau. „Er war das Herz dieser Gemeinde. Schrecklic­h, dass er nun so gehen musste.“Über„ihren“Pfarrer zu sprechen, fällt ihr schwer. Sie ringt mit sich. Während sie über ihre gemeinsame­n Erlebnisse berichtet – ihre Hochzeit, ihre Taufe – geht ihr Blick in die Ferne. Sie kämpft mit den Tränen, und doch stiehlt sich während des Gesprächs immer wieder auch ein liebevolle­s Lächeln in ihr Gesicht. „Wissen Sie“, sagt sie. „Er hatte so seine Probleme damit, loszulasse­n. Sicher, er hat sich darauf gefreut, mehr Zeit für seine Enkel zu haben, doch der Abschied ist ihm nicht leicht gefallen. Die Arbeit in der Gemeinde hat ihm sehr viel bedeutet.“Er habe so ein Talent gehabt, die Leute machen zu lassen. „Er strotzte nur so vor Ideen und hat dann auf die Fähigkeite­n der Menschen vertraut. Damit hat er immer das Beste in uns allen hervorgebr­acht.“

Köhler-miggels Weg in den Kirchendie­nst war ein ungewöhnli­cher. Aufgewachs­en in den Duisburger Stadtteile­n Wanheimero­rt und Großenbaum, machte er zunächst eine Ausbildung zum Stark- stromelekt­riker und wurde später Diplom-ingenieur. „Dass ich dann Pfarrer wurde, war für mich gar kein Umstieg und kein Widerspruc­h“, sagte Köhler-miggel noch vor wenigen Tagen. Für Ingenieure gab es keine Arbeitsplä­tze, und als Option kam für ihn nur die Kirche infrage: „Ich kannte sie schon und sie war damals für mich eine interessan­te Lebensform.“

Den Weg in den Kirchendie­nst hat er nie bereut. Laut Lingnau war Gott immer sein Anker. Bis zuletzt. Das wollte er auch noch einmal mit dem Thema seiner Abschiedsp­redigt zum Ausdruck bringen. Er hielt sie über den Brief an die Hebräer 4, 16: „Darum lasst uns freimütig hinzutrete­n zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzig­keit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit.“

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FOTO: REICHWEIN Eine Besucherin gedenkt des verstorben­en Pfarrers und trägt sich in der Duisburger Jesus-christus-kirche in das Kondolenzb­uch ein.

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