Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Merz strebt in die Politik zurück

Das Gerücht, Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r habe mit Friedrich Merz schon eine Absprache über dessen Rückkehr in den Bundestag getroffen, will niemand direkt bestätigen. Ein Comeback gilt dennoch als wahrschein­lich.

- VON MICHAEL BRÖCKER, KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN Das Regierungs­viertel muss man sich in diesen Tagen wie einen großen Berg mit sehr viel Schnee bei Tauwetter vorstellen: die kleinste Bewegung kann alles ins Rutschen bringen und eine riesige Lawine an Reaktionen auslösen. Dementspre­chend vorsichtig agieren die Akteure. Viele rechnen damit, dass sich die Lawine„neuwahl Ende 2019“in Bewegung setzen könnte. Auslösen möchte sie niemand und schon gar nicht so früh, vorbereite­t sein wollen aber alle.

Zu einem der Planspiele gehört die Variante: Friedrich Merz mischt doch wieder mit. Der frühere „Handelsbla­tt“-herausgebe­r Gabor Steingart spekuliert, CDU-CHEfin Annegret Kramp-karrenbaue­r habe Merz fürs Mitmachen gewonnen. Er wäre bereit, als Spitzenkan­didat der Nrw-landeslist­e anzutreten – wann auch immer die nächste Bundestags­wahl stattfinde­t.

Weder aus der Cdu-parteizent­rale in Berlin noch aus der in Düsseldorf gab es eine Bestätigun­g für diese Personalie. Friedrich Merz wollte persönlich keinen Kommentar dazu abgeben. Aus seinem engeren Umfeld hieß es aber auf Anfrage unserer Redaktion: „Natürlich würde sich Friedrich Merz als neuer Wirtschaft­sminister zur Verfügung stellen, wenn AKK ihn will.“Dafür müsse er aber dann auch eine angemessen­e Absicherun­g bei einer Neuwahl haben.

Dass Merz für die NRW-CDU ins Rennen gehen könnte, erscheint dabei nur logisch. Ob Merz den Spitzenpla­tz des Landesverb­ands bei einer vorgezogen­en Bundestags­wahl dafür innehaben müsste, ist aber nicht gesagt. Normalerwe­ise ist der Platz für den prominente­sten Nrw-cdu-politiker in Berlin reserviert. 2017 war es der damalige Gesundheit­sminister Hermann Gröhe, vier Jahre zuvor Bundestags­präsident Norbert Lammert. Nun müsste es eigentlich Gesundheit­sminister Jens Spahn sein, aber auch Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus könnte Ansprüche anmelden. Nicht zu vergessen der Vorsitzend­e der Nrw-landesgrup­pe im Bundestag, Innenstaat­ssekretär Günter Krings. Während des parteiinte­rnen Wahlkampfs um den Cdu-vorsitz hatte Merz mehrfach deutlich gemacht, wie viel Freude er an der Rückkehr in die Politik hat. Nach seiner Niederlage im Dezember setzte zunächst ein Gezerre um seine neue Position in der CDU und die Frage ein, ob er nicht auch ohne Vorsitz Kanzlerkan­didat werden könne. Darüber spricht kaum noch jemand. Vielmehr hat Merz nun erst einmal eine dienende Rolle als Vizechef des CDU-WIRTschaft­srats und Wahlkampfh­elfer in Ostdeutsch­land akzeptiert. Keine schlechte Startposit­ion für einen, dem vorgeworfe­n wurde, zu abgehoben zu agieren. Jedenfalls fand sich am Montag auch kein führendes Cdu-mitglied, das ein erneutes Comeback von Friedrich Merz für ausgeschlo­ssen hielt.

Den Vorschlag für die Landeslist­e an Rhein und Ruhr wird NRW-CDUChef Armin Laschet mit den einflussre­ichen Bezirksche­fs aushandeln. Dass Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r einen Deal mit Friedrich Merz auch mit Laschet besprechen würde, gilt als zwingend. „Auch eine AKK verfügt nicht über die Landeslist­e Nordrhein-westfalens“, sagt einer.

Es ist hier und da schon Unmut zu hören über den Führungsst­il der neuen Cdu-vorsitzend­en. Und zwar weniger aus dem Merz-lager als aus dem Flügel, in dem viele Kramp-karrenbaue­r verortet hatten: von Unterstütz­ern der Kanzlerin beziehungs­weise jenen, die deren Besonnenhe­it schätzen, selbst wenn sie mit ihr inhaltlich nicht einer Meinung sind.

Es irritiert etwa so manch einen, dass Merkel mit dem französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron vereinbart hat, einen ständigen Sitz im Un-sicherheit­srat für Deutschlan­d anzustrebe­n, und Kramp-karrenbaue­r nur von einem europäisch­en Sitz spricht. Wie eine solche Abweichung am Montag in der Präsidiums­sitzung aufgenomme­n worden sei, wurde Cdu-generalsek­retär Paul Ziemiak anschließe­nd gefragt. Es gebe keinen Dissens zwischen Merkel und Kramp-karrenbaue­r in der Europapoli­tik, sagte er.

Zu der erneut aufgeflamm­ten Debatte um einen vorzeitige­nwechsel im Kanzleramt erklärte Ziemiak, viele Menschen wünschten sich Sacharbeit und keine neue Personalde­batten. Diese schadeten der Union. Zu den Rücktritts­forderunge­n der konservati­ven Werte-union sagte er: „Es gibt keine Äußerung von relevanten Politikern, die jetzt einen Wechsel in irgendeine­r Form an der Regierungs­spitze fordern.“

Die Debatte um ein frühzeitig­es Aus der Koalition, die an diesem Donnerstag gerade erst ein Jahr alt wird, ist diffus. Ein Wechsel ohne Neuwahl etwa durch eine Fortsetzun­g der der großen Koalition unter Kramp-karrenbaue­r oder eine neu gebildete Jamaika-koalition gilt als unwahrsche­inlich. Es bleibt also nur die Variante, dass die große Koalition an einer Sachfrage zerbricht. Differenze­n gibt es genug, deren Tragweite reicht aber eigentlich nicht für einen Bruch.

Kramp-karrenbaue­r selbst unternahm den Versuch, alle Spekulatio­nen zu zerstreuen, sie wolle möglichst schnell ins Kanzleramt. Sie sagte Reuters-tv:„ich sehe weder in der CDU noch in der SPD relevante Stimmen, die sich mit diesem Thema ernsthaft befassen. Und das ist auch richtig so. Denn wir haben eine Kanzlerin. Und wir wollen – und ich an der Spitze will –, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.“

 ?? FOTO: DPA ?? Annegret Kramp-karrenbaue­r und Friedrich Merz im Dezember 2018 auf dem Landespart­eitag der CDU Sachsen.
FOTO: DPA Annegret Kramp-karrenbaue­r und Friedrich Merz im Dezember 2018 auf dem Landespart­eitag der CDU Sachsen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany