Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kleve ehrt Fotografin Evelyn Hofer

Eine Entdeckung: die sehenswert­e Werkschau der deutschstä­mmigen Künstlerin.

- VON MATTHIAS GRASS

KLEVE Der Schnappsch­uss war nicht ihr Ding, das massenhaft digitale Foto erst recht nicht. Evelyn Hofer zog mit einer schweren Plattenkam­era durch die Straßen New Yorks, über die Hochebenen des Libanon oder in die Täler des Tessin. Man begleitet sie in Künstlerat­eliers, sieht auf ihren Fotos Baselitz oder Andy Warhol bei der Arbeit zu, man begegnet einem Amerika, das noch alle Träume erfüllen zu können scheint, blickt in dunkle Ecken Dublins und in die Gesichter der Menschen aus dem rätoromani­schen Soglio.

Das Museum Kurhaus Kleve würdigt jetzt mit 200 Bildern die deutsch-amerikanis­che Fotografin Evelyn Hofer, die gerne als die „berühmtest­e unbekannte Fotografin Amerikas“betitelt wird (so Kleves Museumsdir­ektor Harald Kunde). Man zeige mit der Ausstellun­g „Begegnunge­n mit der Kamera“nicht nur „Inkunabeln der Fotografie der 1960er und 1970er Jahre, die das Gefühl dieser Zeit transporti­eren, sondern vor allem auch Bilder, die bis heute ihre Gültigkeit haben“, erklärt Kunde.

Die 1922 in Marburg geborene Hofer setzt sich schon Ende der 1950er Jahren in der Szene durch und ist in dieser Zeit eine der wenigen Frauen unter den Fotografen. Sie fotografie­rt für Mademoisel­le, für die Vogue, für den Stern, für das „Time“-magazin, für „Vanity Fair“, bringt herausrage­nde Bildbände heraus, stellt mit Richard Avedon und Irving Penn bereits in den 1960er Jahren im Metropolit­an Museum of Art aus.

Hofers Vater hatte mit der Machtübern­ahme Hitlers die deutsche Staatsbürg­erschaft abgegeben und war über die Schweiz und Spanien und nach Francos Sieg von dort schließlic­h nach Mexiko geflohen. Sie selbst folgte mit ihrer Mutter 1942 aus Casablanca nach Mittelamer­ika. Seit Ende der 1940er Jahre lebt Hofer in New York, liebt Europa und bereist für ihre Reportagen die Welt. Und immer sind es Porträts, die sie mitbringt. „Das Fasziniere­nde am Werk von Evelyn ist, dass sie alles porträtier­t. Es kann ein Baum sein, ein Mensch oder einfach nur ein Stuhl“, beschreibt ihr Künstlerko­llege Richard Linder 1977 die Arbeit der strengen, so detailverl­iebten Fotografin. Schon früh wechselt Hofer von der Schwarz-weiß-fotografie auf Farbfotos. In den 1980er Jahren porträtier­t sie Künstler nicht nur der New Yorker Szene, in einem Hangar voller Diva-devotional­ien taucht man mit ihr in die Vergangenh­eit von Marlene Dietrich.

Ende der 1990er Jahren folgen im Spätwerk, zugleich aus der Zeit gefallen wie aktuell, ihre Stillleben, die sich an flämischen und italienisc­hen Vorbildern orientiere­n. Da verschwimm­en auf einmal die Grenzen zwischen fotorealis­tischer Malerei und Fotografie. 2009 stirbt Hofer in Mexico-city. Info Museum Kurhaus, Tiergarten­straße 41, Kleve, Di bis So 11 bis 17 Uhr. Zur Schau ist ein Buch erschienen (39 Euro).

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REPRO: EVERS Straßensze­ne in New York von Evelyn Hofer.

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