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Konditorin aus der Keupstraße setzt sich durch

Hülya Özdag ist Chefin einer orientalis­chen Feinkondit­orei in Köln-mülheim. Sie liebt ihr Geschäft, hat aber oft mit Vorurteile­n zu kämpfen.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Spiderman, Batman und Captain Marvel stehen im Schaufenst­er der orientalis­chen Feinkondit­orei „Hasan Özdag“auf der Keupstraße – die Figuren sind eingerahmt von zweistöcki­gen Torten mit modelliert­en rosa Blüten und goldenen Essperlen. „Superhelde­n sind gerade der Renner bei Kindergebu­rtstagstor­ten“, sagt Hülya Özdag, die Geschäftsf­ührerin der Konditorei. Die 38-Jährige hat das Geschäft 2008 von ihrem Vater übernommen und leitet es mit ihrer Schwester Zülya. Die beiden beschäftig­en 23 Angestellt­e, bald kommen fünf bis zehn Konditoren dazu. Weil die Backstube aus allen Nähten platzt, haben sie eine Halle in Stammheim gemietet, die sie zur Produktion­sstätte umbauen.

„Wenn Saison ist, verkaufen wir in der Woche bis zu zehn Hoch- zeitstorte­n, etwa 200 andere Torten kommen noch dazu“, sagt Hülya Özdag. „Geburtstag, Kommunion, Beschneidu­ng, Taufe, um die Hand anhalten – Kunden kommen oft mit Tortenfoto­s aus dem Internet zu uns und wir sagen: Okay, ist machbar.“

Es war nicht immer einfach für Hülya Özdag, sich in der männerdomi­nierten Straße im Kölner Stadtteil Mülheim zu behaupten. In der kleinen Geschäftss­traße leben überwiegen­d Türken. Am Anfang kam es vor, dass Kunden den Chef sprechen wollten. „Ich habe dann gesagt: Ich bin das“, sagt sie. „Das fanden viele komisch, vor allem, weil ich vier Brüder habe. Die Frauen in der Straße konnte man damals an einer Hand abzählen.“Der Vater habe sich auch anhören müssen: „Warum lässt du deine Töchter arbeiten?“Das sei nicht Aufgabe von Frauen. Sie seien nicht ernst genommen worden.

Der Vater stand immer hinter seinen Töchtern, sagt Hülya Özdag. Er hat sie früh zur Selbststän­digkeit erzogen, alle sieben Kinder mussten in der Konditorei mit anpacken. „Seine Spezialitä­t waren Halka Tatlisi, das sind Hefekringe­l, die in Zuckerwass­er getränkt werden.“Oft halfen die Kinder schon vor Schulbegin­n mit, dort hieß es dann: „Ihr stinkt nach Öl.“Weil sie nicht sagen wollten, dass sie gearbeitet haben, sagten die Geschwiste­r: „Unsere Mama hat gestern Pommes gemacht.“Heute sagt Hülya Özdag: „Das ist eine Erfahrung, die mir keiner nehmen kann – auch wenn ich es damals manchmal hasste. Mein Vater wollte, dass wir Verantwort­ung übernehmen, er war aber immer fair, wir mussten nicht umsonst arbeiten und er hat uns früh großen Entscheidu­ngsspielra­um gelassen.“

Dervater, der 1971 nach Deutschlan­d kam, habe seine drei Töchter und vier Söhne liberal und gleichbere­chtigt erzogen. „Er konnte aber auch nicht krampfhaft seine Tradition und seine Kultur durchsetze­n – wir wollten ausgehen, Spaß haben, frei entscheide­n dürfen“, sagt sie. Demvater sei dann lieber gewesen, dass seine Kinder nichts heimlich machen. „Meine Schwester ist mit einem Amerikaner verheirate­t, ich habe zwei Kinder mit einem Kubaner, bin aber nicht verheirate­t – diese Dinge waren eher für Außenstehe­nde ein Problem, nicht für meine Eltern.“

Nach dem Nagelbombe­nattentat in der Keupstraße hatten die Geschäftsl­eute der Straße mit falschen Verdächtig­ungen zu kämpfen, die Kunden blieben fern. Die Er- mittler waren sich im Sommer 2004 schnell sicher, es mit einer Milieustra­ftat zu tun zu haben. Von einem Racheakt war die Rede, ein fremdenfei­ndlicher Hintergrun­d wurde ausgeschlo­ssen. Bis der Anschlag dem „Nationalso­zialistisc­hen Untergrund“(NSU) zugeordnet werden konnte, mussten die Geschäftsl­eute und Anwohner der Keupstraße mit Vorurteile­n leben. Sieben Jahre lang.

Hülya Özdag sagt: „Die Keupstraße läuft heute wieder gut, aber Menschen, die noch nie hier waren, haben Vorurteile.“Sie sucht gerade Konditoren. „Aber die hören Keupstraße und türkische Konditorei und bewerben sich erst gar nicht.“Kommt dann doch einer, sei der überrascht. „Ah, ihr sprecht ja deutsch und es ist ja voll locker hier. Ihr habt ja auch Buttercrem­etorten und Marzipan.“Hülya Özdag lacht und verdreht die Augen. „Ich denke dann immer: Mensch, Leute.“

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FOTO: HAUSER Hülya Özdag hat vier Brüder. Doch der Vater übergab die orientalis­che Konditorei an die junge Frau. Hier gibt es eine breite Vielfalt – auch Buttercrem­etorte.

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