Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Premiere in der Komödie: Matinee mit Tschechow
Wenn das Personal bei Anton Tschechow so richtig böse wird, geht es zur Sache. Nachdem man sich anfangs noch mit „mein Schatz“oder „mein Liebster“begrüßt hat, heißt die Anrede jetzt „Bauer“oder „Rüpel“. Höhepunkt der Schimpfkanonade ist der Anwurf „Jesuit“. Schlimmer geht’s nimmer. Zu hören, zu sehen und zu bestaunen ist diese Szene in den nächsten Wochen in der Komödie an der Steinstraße. Als Matinee am Sonntagnachmittag zeigt man dort die beiden Einakter „Der Bär“und „Der Heiratsantrag“. Die kurzen Stücke sind seit Ewigkeiten auf allen Bühnen beliebt und werden meist zusammen gespielt, weil sie so gut zueinander passen. Es geht nämlich um Streitsucht, einen Charakterzug, der zu vielen Zeitgenossen passt wie ein Maßkostüm.
„Der Bär“präsentiert einen Landgutsbesitzer, einen wahren Grobian, der bei einer Witwe in der Nachbarschaft Schulden eintreiben will. Die aber kann oder will nicht zahlen. Es kommt zu den genannten bösen Worten, bis die Frau schließ- lich zur Pistole greift. Das Resultat ist Liebes-leidenschaft. In „Der Heiratsantrag“wird ebenfalls heftig gestritten. Dabei hatte sich diesmal der Nachbar fein herausgeputzt und wollte um die Hand des Gutsbesitzer-töchterleins anhalten. Stattdessen bekeift man sich um ein Stückchen Land und eine zu kurz geratene Hundeschnauze. Aber auch hier kommt es am Schluss zum Kuss.
Es spielt eine bewährte Kerntruppe der Komödie. Die hervorragende Schauspielerinverenawüstkamp leistet den größten Part der rund 90-minütigen Darbietung. Sie kann die Witwe genauso gut spielen wie ein junges Mädchen, und sie zieht dabei die Register, welche der Eskalationsspirale jeweils die nötige Federung geben. Nicht weniger treffend besetzt ist Slim Weidenfeld in den Rollen des tollpatschigen Grobians und des verklemmten Hypochonders. Markus Rührer schließlich ist erst ein passender Diener und später ein noch passenderer Vater. Die Anzahl der Zuschauer bei der Premiere war noch übersichtlich. Mehr Publikum wäre dem Boulevard-theater zu wünschen.