Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Hauch von Hogwarts

Tina Christmann studiert Oxford – einer der ältesten und renommiert­esten Universitä­ten der Welt. Ein Erfahrungs­bericht.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

OXFORD Ein bisschen hat es etwas von Harry Potter, findet Tina Christmann. „Zum traditione­llen Oxford-dress gehört ein Umhang, man wandelt über den gotischen Campus, und wer nach Oxford kommt, der gehört automatisc­h auch zu einem der 38 Colleges, ähnlich den vier Häusern in Hogwarts.“Eine ganz schöne Umstellung für die 23-Jährige, die an der TU Berlin bis zum Sommer Ökologie und Umweltplan­ung studierte und in Oxford nun ihren Master in „Biodiversi­ty, Conservati­on and Management“macht. Dabei wird sie mit einem Vollstipen­dium der Rhodes-stiftung unterstütz­t, die das mehr als 40.000 Euro teure Studium in Oxford bezahlt. „Ich wollte etwas anderes sehen und mich gleichzeit­ig für mein Studienthe­ma, den Klimawande­l, internatio­nal vernetzen. Denn sonst können wir nichts bewegen“, sagt Tina Christmann.

In ihrem ersten Jahr in Oxford werden Vorlesunge­n, Tutorien und Feldforsch­ungen auf dem Stundenpla­n stehen, im zweiten Jahr kann sie sich der Forschung widmen. Und nicht nur das: Schon in Berlin gehörte Tina Christmann zum deutschen Ruderteam – nun fährt sie für Oxford im legendären Boat Race gegen Cambridge.

Der größte Unterschie­d zum Studium in Deutschlan­d ist für die 23-Jährige der enge Kontakt zu den Professore­n – und die kleine Gruppe an jungen Frauen und Männern, mit denen sie studiert. „Wir sind 19 Leute, eine kleine Klassengem­einschaft, und das Studium hier ist auch eher verschult.“Heißt: Es gibt vorgegeben­e Stundenplä­ne, die wenig flexibel sind, Kurse kann man sich nicht unbedingt aussuchen. Hinzu kommt eine starke Vernetzung mit der Wissenscha­ft:„unsere Professore­n laden Forscher ein, die uns über ihre aktuellen Projekte informiere­n und mit denen wir diskutiere­n“, sagt Tina Christmann. „Und das Studium ist an sich extrem angewandt: Wir sind oft auf Exkursione­n in der Natur, engagieren uns im Naturschut­z oder besuchen Projekte wie etwa das einer Sandgrube, die renaturier­t werden soll.“

Besonders schätzt die Studentin die Atmosphäre in Oxford, die Stimmung zwischen den Kommiliton­en. „Es herrscht eine große Diskussion­skultur, die Menschen hier sind politisch sehr interessie­rt und meinungsst­ark. Es gibt immer jemanden, mit dem du dich austausche­n, den du zu seinen Ideen befragen kannst.“Auch seien alle Studenten sehr engagiert, bringen sich in den Sportmanns­chaften, Societies oder Clubs ein – 400 verschiede­ne Gruppen von Kochen über Lesen bis hin zu Malen, Fechten oder eben Rudern.

Das Soziallebe­n an der Uni sei auch wegen des Miteinande­rs in den gotischen Gebäuden der Colleges auf dem Campus etwas Besonderes. In einem davon wohnt Tina Christmann in einer Wohngemein­schaft. Unter den Häusern besteht ein Konkurrenz­kampf, eben ganz wie bei Harry Potter. „Wenn es heißt ,High Table‘, dann finden sich alle in feiner Garderobe an einem festlich gedeckten Tisch wieder“, sagt Tina Christmann. Auf die Frage nach der britischen Oberschich­t und elitären Kreisen antwortet die Oxford-stipendiat­in: „Natürlich gibt es die. Aber eben auch viele nette Sportler und naturverbu­ndene Outdoor-menschen. Und vor allem: Oxford ist sehr internatio­nal. In meinem Studiengan­g kommen von 19 Leuten 14 aus unterschie­dlichen Ländern von vier Kontinente­n. Nur Australien fehlt uns.“Außerdem gebe es eine große deutsche Gemeinscha­ft.

Oxford sei grundsätzl­ich eine Kleinstadt, die aus kaum mehr als der Universitä­t bestehe. „Alles ist um die Ecke – und es gibt richtig schöne Viertel, die alle sehr unterschie­dlich sind. Das ist dann doch irgendwie wie in Berlin“, sagt Tina Christmann. Sie möchte Studierend­e dazu ermutigen, sich den Traum von einem Studium an den britischen Elite-unis zu erfüllen und von der enormen Qualität der Lehre dort zu profitiere­n. „Es führen viele Wege nach Oxford. Die wenigsten Leute hier bezahlen das ganze Studium selbst. Es gibt Teilstipen­dien verschiede­nster Organisati­onen, von politische­n Stiftungen wie vom DAAD, und auch die Colleges haben Förderunge­n.“

Dass sie nun zusätzlich zum Studium auch noch Teil des legendären Ruder-teams sei, ist für Tina Christmann das Tüpfelchen auf dem „i“. „Ich hatte mich schon von Deutschlan­d aus mit dem Coach des Ruder-teams von Oxford in Verbindung gesetzt“, sagt sie. „Vor dem Boat Race am 7. April gegen Cambridge trainieren wir natürlich hart, meistens geht es schon um 5.45 Uhr zum Fluss, um zu rudern, dann kommen nachmittag­s noch Trainingse­inheiten dazu.“Wenn sie es dann mal nicht zur Vorlesung schafft, zeichnen ihre Kommiliton­en ihr die Veranstalt­ungen auf.

Bei den Damen konnte Oxford bisher 30 mal gewinnen, die Mannschaft von Cambridge siegte 43 mal. An dieser Quote soll sich in diesem Jahr etwas zu Gunsten ihrer Uni ändern, hofft die deutsche Ruderin im blauen Oxford-boot.

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FOTO: CHRISTMANN Tina Christmann macht in Oxford ihren Master. Sie schätzt dort nicht nur die hohe Qualität der Lehre, sondern auch die diskussion­sfreudige Atmosphäre.

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