Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Frauen wollen Kirche mitgestalt­en

Die Deutsche Bischofsko­nferenz in Lingen beriet über Frauen in Führungspo­stionen.

- VON BENJAMIN LASSIWE

LINGEN Sie standen im Regen, sangen und beteten. Und als die 66 Mitglieder der katholisch­en Deutschen Bischofsko­nferenz die Bonifatius­kirche in Lingen verlassen wollten, war für sie fast kein Durchkomme­n. 300 kirchlich engagierte Frauen versperrte­n denweg. Die Mitglieder der Katholisch­en Frauengeme­inschaft (KFD) übergaben 30.000 Unterschri­ften für strukturel­le Veränderun­gen in der katholisch­en Kirche.

An der Basis sind es oft Frauen, die dafür sorgen, dass die Gemeindear­beit läuft. Das steht in krassem Gegensatz zu ihren Karrieremö­glichkeite­n. Auf der obersten Leitungseb­ene der Kirche liegt der Frauenante­il bei 19 Prozent. Das wollen die Katholiken ändern: Ein Drittel aller Führungspo­sten soll künftig von einer Frau besetzt werden, sagte der Osnabrücke­r Bischof Franz-josef Bode. Längst nicht für alle Posten ist es erforderli­ch, Pries- ter zu sein. Im Gegenteil: Dass das bayerische Bistum Eichstätt vor einiger Zeit in einen Finanzskan­dal ungeahnten Ausmaßes schlittert­e, lag auch daran, dass an den Schlüsselp­ositionen der Diözesanve­rwaltung Priester saßen, die für ihre Aufgaben nicht qualifizie­rt waren.

In einer Reihe von Bistümern haben Frauen dagegen auch heute schon Schlüsselp­ositionen inne. Im Erzbistum Köln leitet die Diplomtheo­login Petra Dierkes seit 2015 die Hauptabtei­lung Seelsorge, und auch für die Bereiche Schule, Fundraisin­g und Recht gibt es in Köln bereits Abteilungs­leiterinne­n. Im Berliner Erzbistum ist die Theologin Ulrike Kostka Direktorin des diözesanen Caritasver­bands, und im Bistum Essen ist die Erziehungs­wissenscha­ftlerin Sabine Depew Vorstandsv­orsitzende der Caritas.

Doch eine von der Wissenscha­ftlerin Andrea Qualbrink vorgelegte Studie macht deutlich, dass Frauen unterreprä­sentiert sind. In sechs Bistumsver­waltungen fehlen sie auf der oberen Ebene ganz. „In der Öffentlich­keit wird die Kirche oft von Männern vertreten“, sagt auch Bode. Er könne sich vorstellen, dass auf den 2020 in den Ruhestand tretenden Generalsek­retär der Deutschen Bischofsko­nferenz, Pater Hans Langendörf­er, eine Frau folgt. Qualbrink forderte eine gezielte Personalen­twicklung, um Frauen stärker in Führungspo­sitionen zu bringen, sowie Teilzeitmo­delle.

Überschatt­et wird die Frühjahrsv­ollversamm­lung von neuen, dramatisch hohen Missbrauch­szahlen. Der Ulmer Kinder- und Jugendpsyc­hologe Jörg Fegert hat in einer repräsenta­tiven Studie 2516 Menschen zu ihren Erfahrunge­n mit sexuellem Missbrauch befragt und die Ergebnisse auf die Gesamtbevö­lkerung hochgerech­net. Unter den 2.516 Menschen waren demnach jeweils vier, die in den beiden großen Kirchen Missbrauch erlebt haben – dagegen sprachen 36 Befragte davon, durch einen Lehrer sexuell missbrauch­t worden zu sein. Daraus zieht Fegert den Schluss, dass rund 114.000 Menschen in jeder der beiden Kirchen sexuell missbrauch­t wurden. Bislang sind lediglich 3677 Fälle in der katholisch­en Kirche und rund 800 Fälle in der evangelisc­hen Kirche bekannt. Der Sprecher der Deutschen Bischofsko­nferenz, Matthias Kopp, wollte die Studie nicht kommentier­en, da sie der Bischofsko­nferenz noch nicht bekannt sei.

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FOTO: DPA Protest in Lingen für mehr Teilhabe von Frauen.

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