Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Mann, der Billard nach vorne bringenwill
VIERSEN Es war mal wieder ein Tiefschlag für den Billardsport, als das Organisationskomitee der Olympischen Spiele von Paris Ende Februar verkündete, welche Sportarten es 2024 gerne zusätzlich im Programm haben würde. Unter anderen Breakdance – und eben nicht Billard in einermannschaftlichen Kombination aus den Disziplinen Karambolage, Snooker und Pool. So sparte sich Helmut Biermann als Präsident der Deutschen Billard-union (DBU) den Ausflug nach Paris, wo die Billardwelt seit Montag ihre Olympiatauglichkeit bei der World-team-trophy beweisen will. In der Viersener Festhalle steht schließlich von Donnerstag bis Sonntag zum 30. Mal in Folge die Weltmeisterschaft für Dreiband-nationalmannschaften an.
Freilich hätte Biermann gerne bessere Kunde mit nach Viersen gebracht, schließlich gibt es dort einen runden Geburtstag zu feiern, und es wird seine erste WM vor Ort als Präsident des Wm-gastgebers. Doch der 63-Jährige aus Herne jammert nicht, sondern krempelt die Ärmel hoch, um seinen Reformkurs bei der DBU voranzutreiben. Wie hart im Nehmen er ist, zeigt schon seinekrankheitsgeschichte. Trotz einer schweren Nierenerkrankung engagierte er sich über 40 Jahre ehrenamtlich in höchsten Ämtern national und international für den Sport im Allgemeinen und Billard im Besonderen. Kurz vor der WM in Viersen im vergangenen Jahr, die nach seiner Wahl im Juli 2017 seine ers- te als Dbu-präsident gewesen wäre, unterzog sich Biermann einer Nierentransplantation. Noch aus dem Krankenhaus heraus griff er zum Hörer, um einen Termin mit dem neuen lokalen Wm-sponsor aus Süchteln auszumachen. Der hatte sich kurz zuvor gemeldet und die Finanzierung des Traditionsturniers für fünf weitere Jahre gesichert.
„Für den Karambolsport ist die WM natürlich sehr wichtig, Poolund Snookerspieler nehmen sie dagegen nicht so wahr“, erklärt Biermann. In seinem Amt muss er für alle Mitglieder da sein. Was für ihn als Präsident der Verbände Westfalen und Nordrhein-westfalen gilt, ist auch sein Maßstab, seit er im Juli 2017 auch den Chefposten bei der DBU als Nachfolger von Michael John innehat. An dessen Absetzung ein paar Monate zuvor hatte Biermann wesentlichen Anteil. Dabei ist er wie John auch der Meinung, dass der Billardsport an vielen Stellen Veränderungen braucht. „Aber wir machen jetzt alles absolut transparent“, betont der Dbu-präsident.
Als kürzlich die Verbandsbeiträge für den Bereich Leistungssport um 50 Prozent erhöht wurden, ging das glatt durch. Auch einen Konflikt mit den deutschen Topspielern scheute er nicht, damit sie sich den neuen Kadervereinbarungen der DBU verpflichten und so die neue Leistungsorientierung des Verbandes mitgehen. „Als nicht-olympischer Verband hängt unsere Förderung von den World Games ab. Darauf richten wir jetzt alles aus“, sagt Biermann. Er will den Billardsport aber auch für die breite Öffentlichkeit attraktiver machen. Dazu sollen derwust an Disziplinen entschlackt und neuewege in der Mitgliedergewinnung eingeschlagen werden.
Auch die Weltmeisterschaft in Viersen will er verändern. Das vom Weltverband UMB 2016 eingeführte, aber unbeliebte Scotch-double-system soll reformiert werden. „Seit so gespielt wird, verlieren wir jedes Jahr 20 Prozent an Zuschauern“, erklärt Biermann. Setzt sich das in diesem Jahr fort, wird wohl auch die UMB irgendwann ein Einsehen haben.