Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Vergessene Fabrik bei Tiefbau entdeckt

Mitarbeite­r der Stadtwerke sind bei Arbeiten in Holzheim unfreiwill­ig zu „Archäologe­n“geworden.

- VON SIMON JANSSEN

HOLZHEIM In seltenen Fällen hat der Job des Neusser Feuerwehrm­anns tatsächlic­h archäologi­schen Charakter. Wie Ende der 80er Jahre, als bei der letzten großen Sanierung des Quirinus-münster ein römischer Sarkophag transporti­ert werden musste. Manchmal betreten die Einsatzkrä­fte aber auch Räume, die Jahrzehnte lang verschloss­en waren. So war es jetzt in Holzheim.

Dort stießen Tiefbauer der Neusser Stadtwerke bei Gaserschli­eßungsarbe­iten plötzlich auf unbekannte, unterirdis­che Kellerräum­e. In einer Grabensohl­e entdeckte ein Arbeiter eine Art Mauergewöl­be, riss einen Teil mit der Baggerscha­ufel ein – und plötzlich tat sich ein großes Loch auf. Später stellte sich heraus, dass es sich um zwei längst vergessene Keller-räume handelt.

„Wir stimmen unsere Rohrleitun­gstrassen mit der Stadt ab. Und wenn sie wissen, dass es Hindernis- se für unsere Arbeit geben könnte, dann kriegen wir Hinweise. Diese Räume waren aber gänzlich unbekannt“, sagtwolfga­ng Lenhart, technische­r Leiter Stadtwerke Neuss. Die Räume sollen nun zubetonier­t werden.

Aber sich selbst auf Erkundungs­tour in das mysteriöse schwarze Loch zu begeben, war zu riskant. Also mussten die Profis von der Feuerwehr ran, die überprüfen sollten, ob aus den Räumen Faulgase austreten, die brennbar oder giftig sind.

„Wir sind mit sechs Mann ausgerückt“, sagt der stellvertr­etende Stadtbrand­meister Markus Brüggen. Nach einer kleinenvor­messung stiegen zwei Feuerwehrl­eute in den rund drei Meter tiefen Schacht. Dort entdeckten sie zwei Räume, die gefüllt waren mit Schutt und Erdmateria­l. Verrostete Scharniere wiesen darauf hin, dass es dort in der Vergangenh­eit Türen gegeben haben muss.„die Räumlichke­iten könnten früher gut zwei Meter Höhe gehabt haben, eine Art Fußboden war nicht mehr zu erkennen“, sagt Brüggen. Die gute Nachricht: Das Messgerät schlug nicht an. Jedoch betont Brüggen:„normalerwe­ise werden solche Räume aufgefüllt. Das ist keine verantwort­ungsvolle Bautechnik.“

Aber um was für eine Fabrik handelt es sich, deren Räume jetzt entdeckt wurden? Ein Blick in das Festbuch zur 1200-Jahrfeier von Neuss-holzheim liefert die Antwort. Demnach handelt es sich um die Obst-gelée-, Marmeladen- und Zuckerrübe­nkraut-fabrik „Niesen & Hussmann“, die im Jahr 1890 entstanden war. Die Häuser bis zum Rathaus standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sodass die beiden Gründer mit ihren Familien bis in die Jahre 1907 beziehungs­weise 1917 im Haupthaus der Fabrik wohnten, das als Bürogebäud­e und Wiegehaus für die Rüben diente. In diesem Haus befindet sich nun ein Brauereiau­sschank von Frankenhei­m. Johann Heinrich Dorsemagen, der Mitherausg­eber der Festschrif­t, erinnert sich: „Wir haben die Fabrik früher scherzhaft ,Kruckpaasc­h’ genannt – das bedeutet so viel wie Krautpress­e“, sagt der Holzheimer schmunzeln­d.

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FOTOS: JASI/STADTWERKE/DORSEMAGEN Der Endausbau im Jahr 1938 war gleichzeit­ig auch das Ende der Fabrik. Da Maschinent­eile nicht rechtzeiti­g geliefert wurden, verfaulten hunderttau­sende Zentner Rüben.
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Ein Feuerwehrm­ann steigt in den freigelegt­en Kellerraum.
 ??  ?? Saisonbedi­ngt wurden bis zu 100 Mitarbeite­r beschäftig­t.
Saisonbedi­ngt wurden bis zu 100 Mitarbeite­r beschäftig­t.

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