Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Einmann, ein Freund

Freundscha­ften zwischen Männern werden gerne als Kumpelei abgetan. Dabei können diese Beziehunge­n sehr innig sein. Doch was macht Männer wirklich zu Freunden? Und was ist der Unterschie­d zu Frauenfreu­ndschaften?

- VON JÖRG ISRINGHAUS

KREFELD Familie hat man, Freunde sucht man sich aus.

Manchmal mit Bedacht, manchmal funkt es direkt. Wie bei Christian Schwarz und Max Hartkopf. Die beiden 59-Jährigen, der eine kommt aus Witten, der andere aus Willich, haben sich vor vier Jahren bei einem Seminar in Krefeld kennengele­rnt. Und waren sofort auf einer Wellenläng­e. Zwischen ihnen existiert eine besondere Chemie, das ist gleich zu spüren. Es wird geherzt, gescherzt und gelacht, es reicht schon eine Andeutung, und beide prusten los. Gute Kumpel halt. Aber was macht Männer eigentlich zu Freunden? Und sind diese Männerfreu­ndschaften anders als die von Frauen? „Ein wenig“, sagt die Psychologi­n Susanne Altweger. „Grundsätzl­ich aber ist der Mensch ein zutiefst sozialbedü­rftiges Wesen, das ohne Freunde verkümmert.“

Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.

An blumigen Bonmots zur Freundscha­ft herrscht kein Mangel. Frederick Lau und Kida Ramadan würden wohl trotzdem zustimmen. Die beiden Schauspiel­er haben ein Buch über ihre Freundscha­ft verfasst,„zusammen sind wir Könige“(Ullstein extra), in dem sie mit kleinen Geschichte­n ihrer innigen Beziehung auf den Grund zu gehen versuchen. Überhaupt sind Männerfreu­ndschaften ein beliebtesm­otiv in der Kunst – von Tomsawyeru­nd Huckleberr­y Finn über die drei Musketiere und Robinson und Freitag bis Gilgamesh und Enkidu. Lau und Ramadan aber erzählen aus dem echten Leben, was sie gemeinsam durchgesta­nden und dabei über den anderen und sich selbst gelernt haben. Was die Basis einer Männerfreu­ndschaft schon ganz gut umreißt. Aktion, oder besser: Action. „Diese Beziehunge­n basieren zunächst oft auf gleichen Interessen“, sagt Altweger. „Man geht gemeinsam zum Sport, ins Kino oder fährt Motorrad.“

Schwarz und Hartkopf kennen das. Sie treffen sich alle paar Wochen, verbringen dann ein Wochenende zusammen. „Über das gemeinscha­ftliche Tun kann man sozusagen bei sich ankommen“, sagt Schwarz, „und dann über andere Dinge reden.“Unter Männern beispielsw­eise direkt über Gefühle zu sprechen sei verpönt, erklärt Altweger, das treibe den Adrenalins­piegel in die Höhe. Was nicht heißen soll, dass nicht über Emotionen oder Lebenskris­en reflektier­t werde. Zum seelischen Ausgleich sei dies auch notwendig. Schwarz ist sich dessen bewusst. „Ich könnte mich mit dir über alles unterhalte­n“, sagt er zuhartkopf. Der nickt. „Wenn man über Dinge reden kann, die einem schwerfall­en, merkt man erst, wie nah man sich steht.“

Die Freundscha­ft ist ein Kapital, von dem die Zinsen niemals verloren gehen.

Tatsächlic­h haben solche Beziehunge­n auch einen messbaren Nutzen. So haben Wissenscha­ftler herausgefu­nden, dass Menschen mit funktionie­renden sozialen Netzen seltener an Herz-kreislauf-erkrankung­en und Depression­en leiden. Zudem schüttet der Körper weniger Stresshorm­one aus, wenn bei Prüfungssi­tuationen ein Freund dabei ist – und erhöht stattdesse­n die Produktion des Kuschelhor­mons Oxytocin. Das hat eine Studie der Uni Freiburg ergeben. Generell werde das Leben mit Freunden als weniger bedrohlich empfunden, sagen Forscher. Nicht alleine zu sein, für andere eine wichtige Rolle zu spielen, Entscheidu­ngen teilen zu können, alles das verhelfe zu einem erfüllten, sinnhaften Leben.

Umso wichtiger ist es, Freunde zu finden. Frauen tun sich da leichter, sagt Altweger, sie gehen unbefangen­er auf andere zu. Männern fällt dies schwerer, dafür tolerieren sie auch längere Pausen in einer Beziehung ohne großes Lamento. Worauf kommt es in einer Freundscha­ft denn an? „Verlässlic­hkeit“, sagt Schwarz. „Ich weiß, dass ich Max auch nachts um drei Uhr aus dem Bett klingeln kann, wenn etwas passiert ist.“Bei Lebenskris­en zur Stelle zu sein, ist laut Psychologe­n auch typisch für Männer. Action eben. Für Hartkopf ist ein entscheide­nder Punkt die Solidaritä­t. „Freunde müssen füreinande­r einstehen, sich gegenseiti­g den Rücken stärken“, sagt er. „Wer sich als unsolidari­sch herausgest­ellt hat, mit dem habe ich nichts mehr zu tun.“

Freunde sind Gottes Entschuldi­gung für Verwandte.

Aber wie unterschei­den sich nun Frauen- von Männerfreu­ndschaften? „Frauen haben diverse Freundinne­n für unterschie­dlichebedü­rfnisse“, sagt die Psychologi­n.„das ist gut für die Partnersch­aft, weil der Partner nicht alle Ansprüche erfüllen muss.“Und sie haben ein größeres Bedürfnis, Seelisches inworten zu verarbeite­n. Kurz gesagt: Sie reden mehr. „Ein Mann, ein Wort; eine Frau, ein Buch – das geflügelte Wort ist nicht ganz verkehrt“, sagt Altweger.

Für Schwarz und Hartkopf liegt der Unterschie­d zwischen den Geschlecht­ern im entspannte­ren Umgang miteinande­r. Mit einer Frau rede man anders als mit einem Mann, sagen beide. „Bei einer Frau drücke ich mich diplomatis­cher aus, bei einem Mann bin ich direkter, haue ihm auch mal auf die Schulter“, sagt Hartkopf. Dem anderen sagen zu können, dass das, was er tut, nicht richtig ist, auch das gehöre zu einer Freundscha­ft. Nachdenkpr­ozesse anregen, nennen das die beiden. Und wo hört die Freundscha­ft auf? Wenn man in Konkurrenz zueinander trete, sagen Schwarz und Hartkopf. Und dabei gehe es meistens – natürlich – um Frauen.

 ?? FOTO: CH. REICHWEIN ?? Beste Freunde: Christian Schwarz (l.) und Max Hartkopf wissen, dass sie sich aufeinande­r verlassen können.
FOTO: CH. REICHWEIN Beste Freunde: Christian Schwarz (l.) und Max Hartkopf wissen, dass sie sich aufeinande­r verlassen können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany