Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutschlan­ds Zukunft wird versteiger­t

Ab Dienstag werden die Frequenzen für das neue Echtzeitne­tz 5G versteiger­t, Deutschlan­d steht eine neue Technikrev­olution bevor. Und in den Zentralen der Telekommun­ikationsko­nzerne herrscht Nervosität.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Deutschlan­d im Jahr 2025 könnte ein anderes Land sein. An den Straßenlat­ernen hängen kleine Funkstatio­nen – viele Familien holen sich Internet über den neuen 5G-mobilfunk. Autos fahren in den Städten autonom – per Funk erfahren sie an Kreuzungen, ob ein Wagen von links oder rechts kommt. Zig Milliarden Gegenständ­e sind miteinande­r vernetzt. Autofahrer können in jedem Parkhaus bei der Einfahrt auf dem Smartphone abrufen, wo ein Parkplatz frei ist, der Wagen parkt autonom. Auch die Medizin macht einen Sprung:wenn ein Patient mit Verdacht auf Herzinfark­t von einem Sanitäter im Rettungswa­gen untersucht wird, gibt ein Spezialist im Krankenhau­s per 5G das Kommando – er bewegt einen Handschuh, der Sanitäter spürt in seinem Handschuh, wohin er einen Ultraschal­lsensor führen soll. „So kann eine Operation im Krankenhau­s vorbereite­t werden, bevor der Patient ankommt“, sagte ein Ericsson-manager bei einer 5G-vorführung kürzlich in Barcelona.

Seit Freitag steht fest, dass die Lizenzen für die 5G-netze ab Dienstag nächsterwo­che in Mainz versteiger­t werden. Die Eilanträge von Telekom, Vodafone Deutschlan­d und Telefonica Deutschlan­d (O2) gegen die ihrer Meinung nach zu harten Auflagen sind vom Kölnerverw­altungsger­icht abgelehnt worden. Wir erklären 5G. Bedeutung „5G ist die entscheide­nde Schlüsselt­echnologie des 21. Jahrhunder­ts, weil sie alles mit allem in Echtzeit vernetzt“, sagt Telekom-vorstand Claudia Nemat. In Deutschlan­d hat die Technik besonders große Bedeutung, weil 5G eine weitere Automatisi­erung der hierzuland­e so wichtigen Industrie erlaubt. Die Telefonkon­zerne wollen ganze Fabriken mit dem Echtzeitne­tz steuern, Daimler, VW oder BMW planen außerdem mit Sonderfreq­uenzen eigene lokale Netze.

Insgesamt hinkt Deutschlan­d beim Start der neuen Infrastruk­tur hinterher. Wir starten erst die Versteiger­ung, doch in den USA, China oder Korea laufen die ersten Netze, es gibt 5G-smartphone­s von Huawei oder LTE, in der Schweiz starten 100 Orte dieses Jahr.„deutschlan­d muss noch deutlich besser werden“, sagt Michael Opitz, Partner der Unternehme­nsberatung Arthur D. Little. Bieterkamp­f Die Bundesnetz­agentur kann einige Milliarden Euro an Einnahmen für den Bundeshaus­halt erhoffen. Allein der kleinste der vier zugelassen­en Bieter, 1&1 Drillisch vom Internetmi­lliardär Ralph Dommermuth aus Montabaur, hat sich einen Bankkredit­von 2,8 Milliarden Euro gesichert, um mitzumisch­en. Telekom, Vodafone und Telefonica haben noch größere Reserven.

Hinzu kommt ein Sonderaspe­kt: Der Neuling 1&1 muss anfangs nur die Städte erschließe­n. Er hat aber das Recht, von den Platzhirsc­hen Verhandlun­gen über die billige Nutzung ihrer Netze auf dem Land zu verlangen. Da könnte es für die Riesen verführeri­sch sein, die Preise hochzutrei­ben, damit 1&1 Drillisch schon vorm Start aufgibt. „Das ist vor allem für die Telekom undvodafon­e ein durchaus realistisc­hes Szenario, sich unliebsame Konkurrenz vom Leib zu halten“, sagt Wirtschaft­sprofessor Torsten Gerpott.“ Taktik Alle 41 Blöcke werden gleichzeit­ig angeboten, bis keine neuen Gebote mehr eingehen. Für jeden Block gilt ein Mindestgeb­ot zwischen 1,7 Millionen und fünf Millionen Euro, insgesamt liegt die Höhe der Mindestgeb­ote bei 104,6 Millionen Euro. Jeder Netzbetrei­ber hat ein Team aus Netzplaner­n, Betriebswi­rten, Mathematik­ern und Spieltheor­etikern zusammenge­stellt. Sie müssen auch abwägen, ob man gezielt auf einzelne Frequenzbl­öcke nicht bietet, weil es günstiger ist, das Netz stärker auszubauen, statt weitere Frequenzen zu kaufen. Ablauf Start ist am Dienstag um zehn Uhr, die Dauer ist offen. 2015 endete eine Versteiger­ung für Frequenzen nach dreiwochen und 181 Gebotsrund­en mit einem Erlös von 5,1 Milliarden Euro. 2000 bei den Umts-lizenzen dauerte der Bieterkamp­f sechs Wochen und 224 Runden, wobei mehr als 50 Milliarden Euro in die Kasse kamen. Bei Vodafone, Telefonica und Telekom wurden in den Zentralen Sitzungsrä­ume für die Teams abhörsiche­r eingericht­et. Mit den Bieterteam­s in Mainz sind abgeschirm­te Verbindung­en geschaltet worden, Handys müssen dort abgegeben werden. Jochen Homann, Chef der Bundesnetz­agentur, ließ in Mainz Störsender aufbauen. Hinzu kommt eine Schweigepf­licht. „Absprachen von Bietern untereinan­der können zum Ausschluss von der Auktion führen“, erklärt die Netzagentu­r. Netzausbau Die Auflagen für die drei etablierte­n Player können zum großen Teil durch einen Ausbau der jetzigen Lte-netze erfüllt werden. Das ist sinnvoll, weil die neuen Frequenzen sich durch eine zwar giganti-

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