Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Oetker-führung ohne Oetker
August Oetker wird 75 und muss aus Altersgründen den Beirat verlassen. Eine Zäsur für den Backpulver-konzern.
DÜSSELDORF Ein 75. Geburtstag ist in vielen Familien ein Anlass für ein friedliches Clantreffen, bei dem man sich gemeinsam an schöne Zeiten der Vergangenheit erinnert und auf schöne Zeiten in der Zukunft hofft. Bei den Oetkers, deren Vorfahren einst das weltberühmte Backpulver erfanden, ist beides schwierig. Zumindest trennen das Geburtstagskindaugust Oetker und seine jüngstehalbschwester Julia 35 Jahre, und da sind die gemeinsamen Erinnerungen naturgemäß beschränkt. Und mit der glücklichen Zukunft ist das nach jahrelangem Familienzwist auch so eine Sache.
Die Fakten: Der Jubilar muss mit Vollendung seines 75. Lebensjahres am Sonntag die Führung im Beirat, dem Kontrollorgan des Bielefelder Familienimperiums, aufgeben. Sein Nachfolger, der noch im März offiziell gewählt werden soll, ist dem Vernehmen nach schon ausgeguckt: Rudolf Schweizer, Sohn von Augusts Halbschwester Rosely, soll die Führung im siebenköpfigen Gremium (drei Familienvertreter, vier Familienfremde) übernehmen.
Diese Entwicklung allein ist ein Phänomen und eine Zäsur für den Backpulver-konzern. Bei aller erkennbaren Beteiligung der Familie (im Beirat sitzen auch künftig noch zwei Oetkers) gilt: Wenn alles so kommt wie erwartet, wird weder das operative Geschäft noch der Beirat voneinem Oetker geleitet, nachdem vor zwei Jahren Albert Christmann Augusts Bruder Richard als persönlich haftender Gesellschafter an der Konzernspitze abgelöst hat. Und in beiden Gremien wäre in diesem Fall auch kein Nachfahre aus der Folgegeneration des vor zwölf Jahren gestorbenen Patriarchen Rudolf August Oetker mehr an Bord.
Dessen Familienleben hat den Grundstück gelegt für den Geschwister-streit, der die Oetkers seit Jahren entzweit. Rudolf August Oetker war dreimal verheiratet und hat aus diesen drei Ehen acht Kinder. Die drei jüngsten (Alfred (52), Carl Ferdinand (50) und Julia, stammen aus der dritten Verbindung, und dieses Trio liegt mit den älteren Halbgeschwistern seit Jahren über Kreuz. Die beidengruppen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was ihr gemeinsamer Vater gewollt haben könnte. Jüngster Höhepunkt. Die drei machten gemeinsam Front gegen die Berufung des Beirats-mitgliedes Anna-maria Braun als Nachfolgerin von Lufthansa-chef Cars- ten Spohr. Die künftige Chefin des Medizintechnikherstellers B. Braun Melsungen galt ihnen als zu nah dran an den älteren Geschwistern. Trotzdem wurde Braun im komplizierten Stimmmechanismus der Oetkers gewählt, und so zogen ihre Gegner im Januar vor Gericht. Derzeit ruht die Klage.
Alfred Oetker (52), der älteste aus dem Trio der drei jüngeren Abkömmlinge, wäre vor mehr als zwei Jahren gern an die Spitze des Unternehmens gerückt, soll aber von sei- nen älteren Halbgeschwistern ausgebremst worden sein. Damals hatte schon Christmann, der Ex-finanzchef, das Sagen. Und Alfred Oetker beklagte öffentlich, dass kein Familienvertreter mehr an der Konzernspitze aktiv sei. Das sei gegen den Willen seines Vaters und auch weder mit dem Gesellschaftervertrag noch mit den Unternehmensstatuten vereinbar. Dass er zwei Jahre vorher zum Beirats-vize gemacht worden war, galrt ihm wohl nur als Versuch, ihn ruhigzustellen. Aber durchsetzen konnte er sich mit seinem Wunsch, in die operative Führung aufzurücken, nicht.
Womöglich, so glauben manche, könnte die Neuregelung an der Spitze des Beirats mit der Berufung Schweizers zum Vorsitzenden den Familienfrieden wiederherstellen und weiteren Gerichtsstreit verhindern. Schönes Geschenk zum 75.?