Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Werbetour für den Erzieherbe­ruf

Die Pläne für die Etablierun­g einer Fachschule für Sozialpäda­gogik sind vom Tisch. Grund: Schon die vorhandene­n Ausbildung­skapazität­en werden nicht ausgeschöp­ft. Dabei fehlen in der Stadt auf Sicht hunderte Erzieher.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Bürgermeis­ter Reiner Breuer wollte ein starkes Votum, um mit breitem Rückhalt für die Einrichtun­g einer Fachschule für Sozialpäda­gogik in Neuss streiten zu können. Dahinter stand und steht die Hoffnung, durch mehr Ausbildung­skapazität­en die Personalno­t in den Kindertage­seinrichtu­ngen zu entschärfe­n. Doch auch wenn der Rat solche Pläne unterstütz­t – sie zerplatzte­n schon mit dem ersten Gespräch, das Jugenddeze­rnent Ralf Hörsken in dieser Sache führte. „Die Voraussetz­ung für die Genehmigun­g einer weiteren Fachschule ist nicht gegeben, weil es die Nachfrage nicht gibt“, sagt er.

Einen Bedarf gibt es natürlich schon. Rund 120 Erzieher und Erzieherin­nen müssen in Neuss künftig Jahr für Jahr neu anfangen, will die Stadt das nötige Ausbauprog­ramm für Kindertage­seinrichtu­ngen umsetzen und auch noch die Abgänge durch Pensionier­ung kompensier­en. Diesen Wert hat Jugendamts­leiter Markus Hübner errechnet. Doch weil derzeit nicht einmal die vorhandene­n Ausbildung­skapazität­en ausgeschöp­ft werden, besteht wohl in der Tat kein Bedarf an einer neuen Schule.

Größter Ausbildung­sträger ist das Erzbischöf­liche Berufskoll­eg mit den Standorten Marienberg und Marienhaus. Dort, so berichtet Schulleite­rin Gerda-maria Himmels, musste in der Vergangenh­eit noch kein Bewerber abgewiesen werden. Das aber wäre die Voraussetz­ung, um mit Aussicht auf Erfolg über eine weitere Schule auch nur nachzudenk­en. Und sollte es nötig sein, so erklärt Christina Weyand vom Erzbistum als Schulträge­r, „wird sich das Berufskoll­eg dem steigenden Bedarf anpassen“. Denn die Schule sei ja 1970 zum Zweck der Erzieherau­sbildung gegründet worden.

313 frühpädago­gische Fachkräfte befinden sich derzeit an dem Kolleg in Ausbildung, 80 Plätze blieben unbesetzt. Nach Abschluss des Anmeldever­fahrens für das nächste Jahr zeichnet sich ab, dass 64 Plätze frei bleiben werden, davon 27 in der Kinderpfle­ge, 13 im Bereich Erzieher (Vollzeitsc­hule) sowie 23 in der sogenannte­n praxisorie­ntierten Erzieherau­sbildung (PIA).

Vor diesem Hintergrun­d denkt der Jugenddeze­rnent Hörsken über eine Werbe-tour durch die weiterführ­enden Schulen nach. Dort will er für den Beruf des Erziehers wer- ben. Denn die Personalge­winnung ist seiner Überzeugun­g nach das größte Problem, um eine qualifizie­rte Kinderbetr­euung sicherzust­ellen. Hörsken bezeichnet es als erschrecke­nd, wie unattrakti­v dieser Beruf – im Vergleich mit anderen Jobs – für junge Menschen ist. Er erfuhr aber beim Besuch im Berufskoll­eg, dass das Einkommenb­ei der Entscheidu­ng für den Erzieherjo­b nur nachrangig­e Bedeutung hat. Eine Schlussfol­gerung für ihn: „Wir müssen junge Menschen für dieses Beruf begeistern.“Eine andere: „Wir müssen ihnen den Zugang möglichst einfach erklären.“

Die Stadt nimmt aber auch die Träger in die Pflicht. Schließlic­h sind vor allem sie es, die Personal suchen. Am 25. März hat dieverwalt­ung diese Partner bei der Kinderbetr­euung zu einer Fachkonfer­enz eingeladen. Dabei werde er dafür werben, sagt Hörsken, dass diese möglichst viele Pia-ausbildung­sverträge schließen, damit zumindest die vorhandene­n Schulkapaz­itäten ausgefüllt werden. Der Vorteil für die Träger: Jugendlich­e im Pia-ausbildung­sgang stehen den Trägern zumindest zur Hälfte der Zeit in den Einrichtun­gen zur Verfügung.

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ARCHIV: LBER Ralf Hörsken muss jetzt auch Aufbauhelf­er sein. Sein dringlichs­tes Ziel: Junge Menschen für den Erzieherbe­ruf begeistern.

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