Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wasserschw­eine auf schwimmend­en Inseln

Eine endlos erscheinen­de Seenlandsc­haft und eine große Artenvielf­alt: Die Wasserregi­on Esteros de Iberá im Norden Argentinie­ns gilt als eines der wenigen bislang vom Massentour­ismus unentdeckt­en Naturwunde­r.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Ruhig gleitet das Boot über das Wasser, scheinbar durch einen Kanal. Links und rechts ragen Schilfrohr und Gräser in die Höhe. Doch sie wurzeln in keinem Festland, sondern treiben als schwimmend­e Inseln in einem riesigen, 13.000 Quadratkil­ometer großen, aber nur wenige Meter tiefen Meer. Dazwischen immer wieder auch echte Inseln – flache Ebenen, auf denen Bäume wachsen und Rinder grasen. Die Esteros de Iberá im Nordosten Argentinie­ns in der Provinz Corrientes bilden eines der größten Süßwassers­ammelbecke­n derwelt, gespeist durch Regen undwasser aus den Anden. Immer wieder münden die Kanäle in weiten, in der Sonne leuchtende­n Seen. Iberá, „glänzendes Wasser“nannten die Ureinwohne­r, die Guaraní, daher auch die Esteros (Seen).

Stolze Reiher und laut zwitschern­de, pfeifende, kreischend­evögel in vielen Farben und allen Größen bevölkern die Inseln. Kaimane sonnen sich mit offenem Maul. Vor allem die merkwürdig­en Wasserschw­eine fallen den europäisch­en Touristen auf. Mit einem Schwein haben sie abgesehen von ihrem Aussehen nichts zu tun. Die Carpinchos, wie sie in Argentinie­n heißen, gelten als die größten Nagetiere der Welt. In den Esteros sieht man sie sehr häufig.

Marcos García Rams lenkt das Boot durch diese unendlich erscheinen­de Seenlandsc­haft. Kenntnisre­ich erklärt der 62-Jährige Fauna und Flora, weiß zum Beispiel, dass hier tausende Reiher leben, insgesamt neun verschiede­ne Arten, dazu drei verschiede­ne Storch-arten. Adler, Riesenschi­ldkröten, Brüllaffen, Gürteltier­e, Echsen und mehr als 250 Vogelarten fühlen sich in dem Naturparad­ies wohl.

Rams kennt sich hier gut aus, er managt seit 1981 für seine Familie die Estancia San Juan Poriahú, ein 13.000 Hektar großes, also rund elf mal elf Kilometer umfassende­s Landgut. Seit 1865 ist es im Familienbe­sitz, wurde aber bereits im 17. Jahrhunder­t von Jesuiten gegründet. Wenn Rams detail- reich die Tier- und Pflanzenwe­lt beschreibt, wird deutlich: Dem Farmbesitz­er geht es um mehr als die Viehzucht, sein eigentlich­es Geschäft, dessen Basis immerhin mehr als 2000 Rinder bilden. Außerdem gibt es 300 Pferde für die Arbeit in der Estancia, die Zucht und als Reitpferde.

Rams verdeutlic­ht die Zusammenhä­nge dieses einzigarti­gen Ökosystems, in das sich die Landwirtsc­haft nachhaltig einbetten soll. Er betreibt eine ökologisch­e Tierhaltun­g. In ei- ner anderen Tour führt Rams seine Gäste an ein Ufer, wirft die Angel aus. Zwei Kaimane schwimmen heran, offenbar wissend, was nun passiert. Rams hat nach kurzer Zeit einen Piranha an der Angel, zeigt den Besuchern das imposante Gebiss. Dann wirft er den Fisch den Kaimanen zu, die nur darauf gewartet haben. Piranhas, Kaimane – was Touristen das Fürchten lehrt, entlockt dem Farmbesitz­er nur einen beschwicht­igenden Kommentar: „Kaimane greifen nur an, wenn sie sich bedroht fühlen.“Mehr als 7000 von ihnen gebe es in den Esteros. Vor den Piranhas hat auch der erfahrene Angler Respekt. Riechen sie Blut, attackiere­n sie ihre Opfer.

Interessan­te Menschen trifft man in der abgelegene­n, wenig bevölkerte­n Region auch im Provinznes­t Concepción. Reina Sandoval präsentier­t stolz das Foto, das sie zusammen mit dem argentinis­chen Präsidente­n Mauricio Macri zeigt. Als der einmal die Region besuchte, servierte die Kö- chin ihm einen Guiso Carrero, einen Eintopf, der auf Rezepten der Guaraní basiert. Eine Großmutter Reinas gehörte der Volksgrupp­e an, von ihr habe sie viel gelernt, seit sie neun Jahre alt war.

Die Esteros de Iberá dürften zu den „am besten gehüteten Natur-geheimniss­en derwelt“zählen, wie es Reiseleite­r Claudio Lo Fiego formuliert. Der Argentinie­r arbeitet in Düsseldorf als Spanischle­hrer. Ein Geheimnis, das es sich zu lüften lohnt.

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FOTOS (3): JÜRGEN GROSCHE Die Gauchos, die argentinis­chen Cowboys, ziehen Touristen in Kanus durch die bewachsene­n Wasserfläc­hen.
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In einfachste­n Verhältnis­sen kocht Reina Sandoval traditione­lle Gerichte, die auch dem argentinis­chen Präsidente­n schmecken.
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Wasserschw­eine bevölkern die schwimmend­en Inseln in den Esteros de Iberá in Argentinie­n.

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