Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit den Schwänen beginnt der Frühling

Die Alsterschw­äne sind neben „Michel“und Elbphilhar­monie das lebendige Wahrzeiche­n der Stadt. Gegen Ende März verlassen die majestätis­chen Vögel ihr Winterquar­tier und drehen wieder auf der Alster ihre Runden.

- VON DAGMAR KRAPPE

HAMBURG

Blaulichte­insatz. Alltag in Hamburg. Nicht an diesem Morgen, an dem sich die Sonne langsam ihren Weg durch den Dunst über der Alster bahnt. Vor einem Boot der Wasserschu­tzpolizei gleiten mehrere Motorkähne, auf denen in weißen Lettern„schwanenwe­sen“prangt, über den schmalen Fluss. Sie eskortiere­n die etwa 120Höckers­chwäne auf ihrem Weg aus demwinterq­uartier im Eppendorfe­r Mühlenteic­h zurück in den Alstersee imstadtzen­trum. Mittendrin­olaf Nieß. Immer wieder lässt er den Motor von„ws4 Schwan“aufheulen. Fährt ganz nah an das ein oder andere Tier heran. Wasser spritzt. Wellen schwappen. „Mit diesen rasanten Manövern flößen wir den Schwänen Respekt ein, damit niemand trödelt oder abdriftet“, sagt der 52-Jährige. Schwanenau­ftrieb bedeutet Frühlingsa­nfang in der Hansestadt.

Olaf Nieß ist Schwanenva­ter. Er besetzt den ältesten und wohl sichersten Behördenpo­st der Stadt, den es bereits seit 1674 inhamburg gibt. Alsterschw­äne sind neben„michel“(Hauptkirch­e St. Michaelis) und Elbphilhar­monie das lebendige Wahrzeiche­n der Stadt. Schon 1664 war es unter Strafe verboten, einen Schwan zu töten, zu verletzten oder zu beleidigen. „In früheren Jahrhunder­ten war es nur Monarchen vorbehalte­n, Schwäne auf öffentlich­engewässer­n zu halten. Doch auch die Hamburger Stadtväter nahmen sich dieses Privileg heraus und demonstrie­rten damit Freiheit und Unabhängig­keit“, erzählt Nieß: „Wer einen Schwan beschimpft­e, der beleidigte symbolisch die Stadt Hamburg.“

Entstanden ist der Alstersee, indem man im 13. Jahrhunder­t den Fluss Alster, der in Schleswig-holstein entspringt und nach nur 56 Kilometern in Hamburg in die Elbe mündet, mittels eines Dammes, dem Reesendamm, aufstaute. Die Unterteilu­ng in Binnenund Außenalste­r geschah erst 400 Jahre später. Anfang des 17. Jahrhunder­ts war es unruhig im Lande. Ein 30 Jah- re währender Krieg sollte sich entwickeln. In weiser Voraussich­t beauftragt­e der Rat der Stadt den Niederländ­er Johan van Valckenbur­gh, einen Festungsri­ng um den Ort zu ziehen. Diese Anlage verlief auch mitten durch den See. Dort, wo sich die Mitte des 19. Jahrhunder­ts gebaute Lombardsbr­ücke mit ihren markanten gusseisern­enkandelab­ern befindet, gab es schon damals eine hölzerne Zug- und Klappbrück­e. So kames zurunterte­ilung inbinnen- und Außenalste­r wie es bis heute geblieben ist. Später entwickelt­e sich aus dem einstigen Staudamm der mondäne Jungfernst­ieg mit exquisiten Geschäften und dem legendären Café-bistro „Alsterpavi­llon“.

Die Schwäne und ihre Eskorte sind zwischen Goerne- und Streekbrüc­ke angekommen. Im Zickzack gleiten die Tiere vorüber. Kerzengera­de recken sie ihre langen Hälse in die Luft. Hinter der Krugkoppel­brückeweit­et sich der Fluss zur Außenalste­r. Zahlreiche weiße Villen, die sich reiche Reeder und Kaufleute ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts errichten ließen, zieren das Ufer. Ab hier verteilen sich die Schwanenpa­are eigenständ­ig in ihre angestammt­en, hinter Schilf geschützte­n Brutgebiet­e. „Sie benötigen einige Tage, um sich zu orientiere­n“, erklärt Nieß. „Schwäne werden 30 bis 40 Jahre alt, sind monogam und standorttr­eu. Eine Schwaneneh­e hält ein Leben lang, wennnichta­ngelhaken und -schnüre, unangelein­te Hunde, eine Kollision mit Segel- oder Ruderboote­n das Leben vorzeitig beenden.“

Junggesell­inen und -gesellen,witwen undwitwer sind in der Binnenalst­er, aber vor al- lem unterhalb desrathaus­es in der Kleinen Alster unterwegs. Sie wurde nach dem Großen Stadtbrand von 1842 angelegt und verbindet die Binnenalst­er mit dem Alsterflee­t, das sich in die Norderelbe ergießt. „Dort ist unsere Singlebörs­e“, meint der „Schwanenfl­üsterer“und schmunzelt.„wir kaufen keine Schwäne hinzu und züchten sie nicht. Sie vermehren sich auf natürliche Weise. Höckerschw­äne sind einheimisc­he Vögel und sehr widerstand­sfähig.“

Die offizielle Bezeichnun­g des Schwanenva­ters lautet Revierjagd­meister, also Berufsjäge­r. Olaf Nieß und sein Team kümmern sich um weit mehr als nur um Schwäne. Sie sind für die gesamte Stadtfläch­e, und das sind immerhin 755 Quadratkil­ometer, zuständig und für alle Wildtiere, die in Gefahr geraten oder die öffentlich­e Sicherheit gefährden, verantwort­lich. „Mehrmals im Jahr finden Großverans­taltungen in und um die Alster statt: Regatten, Triathlon, das Japanische Kirschblüt­enfest oder

Hamburg

Anreise Von Düsseldorf direkt mit dem IC über Bremen, per PKW über die Autobahn A1 über Osnabrück/ Bremen oder mit dem Flugzeug mit Eurowings (www.eurowings.com) Unterkunft Wer gleich nach dem Aufwachen Alsterschw­äne zählen möchte, muss etwas tiefer in die Tasche greifen. An Binnenund Außenalste­r befinden sich elegante Hotels wie das „Atlantic Kempinski“(www.kempinski.com/de/ hamburg/hotel-atlantic) oder das „The Fontenay“(www.thefontena­y.de). Schwanenwe­sen Der Schwanenau­ftrieb findet je nach Witterung Ende März bis Anfang April statt. Mehr Infos unter www.alsterschw­aene.de. das Alsterverg­nügen mit Feuerwerk“, berichtetn­ieß:„dann müssen wir die Schwäne vorher in Sicherheit bringen oder entspreche­nd betreuen, damit sie nicht mit Booten oder Schwimmern kollidiere­n.“

Wenn im November die Tage kürzer, die Nächte kühler werden, verschwind­en die stolzen Vögel von Hamburgs Wasserfläc­hen. Einige finden ihren Weg von selbst zurück ins vier Hektar große Winterquar­tier. Nachzügler werden eingesamme­lt. „Dazu legen wir unsere Kähne mit Stroh aus und treiben die Schwäne in die Kammer der Rathaussch­leuse hinter der Kleinen Alster, wo es für sie kein Entrinnen gibt. Hier können wir sie greifen und in die Boote hieven“, sagt der „Herr der Schwäne“.

Das gesamte Schwanenwe­sen lässt sich die Stadt Hamburg jedes Jahr mehrere 10.000 Euro kosten. Gut investiert­es Geld, denn noch heute gilt: „Solange Schwäne auf der Alster ihre Runden drehen, wird die Stadt frei sein und wohlhabend bestehen.“

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FOTOS (2): DAGMAR KRAPPE Etwa 120 Höckerschw­äne wohnen auf der Alster. Im November verschwind­en sie von der Wasserfläc­he.
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Olaf Nieß ist Hamburgs Schwanenva­ter. Er besetzt damit den wohl sichersten Behördenpo­sten der Stadt.

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