Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Unverwechs­elbarer Charme in Weiß

Monat der Bäderarchi­tektur in Binz auf Rügen: Im Mai stehen die Villen im Mittelpunk­t von Aktionen, Führungen und Ausstellun­gen.

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Die vielen weißen Villen und Logierhäus­er, die Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts in Binz entstanden, gehören zu den historisch­en Bauten des Ostseebade­s und sind die besten Zeugen dieser Bauart überhaupt. Nirgendwo sonst an der deutschen Ostsee findet sich ein ähnlich erhaltener Ortskern dieses Architektu­rstils, der genau genommen gar keiner ist.

Ihren Ursprung findet die Bäderarchi­tektur in der aufkommend­en Badekultur an der Ostseeküst­e. Bereits im Jahr 1793 gründete Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenbur­g-schwerin mit Heiligenda­mm das erste Seebad Deutschlan­ds. Da dem Herzog das Meerwasser jedoch zu kalt war, ließ er kurzerhand ein Badehaus mit einem beheizbare­n Meerwasser­schwimmbec­ken sowie ein Kurhaus im Stile eines antiken Tempels errichten. Rundherum entstanden Ensembles repräsenta­tiver Gesellscha­fts- und Logierhäus­er, die aufgrund ihrer weißen Farbgebung Heiligenda­mm den Beinamen „Weiße Stadt am Meer“gaben. Die Bäderarchi­tektur war geboren.

Ende des 19. Jahrhunder­ts kam der Badeurlaub auf Rügen in Mode. Viele der kleinen meernahen Dörfer wurden für den nun immer größer werdenden Gästeanstu­rm ausgebaut. Auch in Binz, dem späteren Zentrum der Rügener Badekultur, entstanden unzählige Bäderville­n, eine fast 600 Meter lange Seebrücke und ein Kurhaus. Schnell wich die ursprüngli­che Dorfidylle dem Flair eines südländisc­hen Urlaubsort­es. Noch heute finden sich im Ostseebad Binz viele prachtvoll­e architekto­nische Erinnerung­en an die Zeit des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhunder­t. Sie sind inzwischen restaurier­t und bieten als Hotels oder Pensionen den Urlaubsgäs­ten ein einzigarti­ges modernes Urlaubsgef­ühl im historisch­en Ambiente.

Die Grundarchi­tektur von Bäderville­n lässt sich auf wenige Charaktere­igenschaft­en begrenzen. Häufig handelt es sich um zwei- bis viergescho­ssige Gebäude, an deren Fassaden Balkone oderverand­en angebracht sind. Im Gegensatz zu Bäderbaute­n in anderen Regionen muten die Balkone in Binz sehr filigran und weniger massiv an.

Herausrage­nde Beispiele der Binzer Bäderarchi­tektur sind heute bei individuel­len oder geführten Spaziergän­gen zu bewundern. Nach 1990 wurden die meisten Bäderville­n und historisch­en Logierhäus­er aufwendig restaurier­t und damit der Charme vergangene­r Zeiten erhalten. Besonders entlang der Strandprom­enade reihen sich prächtige, reich verzierte Hotels, Pensionen und Villen aus der Zeit der Jahrhunder­twende aneinander. Eines der bedeutends­ten Gebäude des Seebads ist das direkt am Kurplatz gelegene Kurhaus. Nachdem ein Brand den hölzernen Vorgängerb­au zerstört hatte, wurde im Jahr 1907 mit dem Bau eines neuen Kurhauses begonnen, dessen Ausmaße damals wie heute einer Schlossanl­age ähneln.

Ein traditions­reiches Gebäude der Kaiserzeit, das nicht nur jede Menge Urlaubsgäs­te beherbergt­e, sondern auch schon große Namen wie Helmut Kohl, Angela Merkel oder den norwegisch­en Kronprinze­n Haakon mit seiner Gattin Mette-marit, ist die Villa Salve. Ursprüngli­ch als Logierhaus ersten Ranges für die eigene Familie und Verwandtsc­haft geplant, war die Villa Salve Tagungsort einer Freimaurer-loge, später Kindersana­torium und Kindergart­en. Seit 1992 ist die Salve familienge­führtes Hotel mit Restaurant und Bar.

Die malerische Villa Haiderose an der Binzer Promenade ist ein Jugendstil­bau, der heute mit seinen hochwertig ausgestatt­eten Apartments Gäste empfängt. Wie es zu der Namensgebu­ng kam und warum „Haiderose“so eigenwilli­g geschriebe­n wurde, liegt bis heute im Dunkeln. Sicher ist nur, dass ein Förster aus Ostpreußen im Jahre 1896 das Haus direkt am Strandufer erbauen ließ. Nach umfangreic­her Sanierung eröffnete die Haiderose 1999 als Fünf-sterne-apartment-haus.

Die Geschichte der Villa Sturmvogel ist jener der vielen anderen Bäderbaute­n in Binz ähnlich. Ehemals errichtet alsvilla Möwe im Jahre 1894 diente sie um die Jahrhunder­twende als Pensions- und Logierhaus für sogenannte Sommerfris­chler. Mit einem bezaubernd­en Meerblick ausgestatt­et, bietet die Villa Sturm- vogel mit ihren neun Apartments heute ein gemütliche­s Zuhause auf Zeit.

Wer sich auf eine Entdeckung­stour durch den historisch­en Binzer Ortskern begibt, wird an einigen Häusern QRCodes des Binzervill­en-rundgangs finden. Per Smartphone oder Tablet-pc kann der Code an den Gebäuden gescannt werden. Interessie­rte gelangen so zu einer Website mit wissenswer­ten und kuriosen Fakten über Entstehung, Besitzer und Nutzung des Hauses. Ergänzt werden diese Daten durch historisch­e Abbildunge­n. Auf diese Weise können Besucher die Binzer Bäderarchi­tektur ganzjährig auf eigene Faust entdecken. Wer sich hingegen lieber von ortskundig­en Reiseführe­rn die Geschichte von Binz und seiner einzigarti­gen Architektu­r erklären lässt, hat dazu immer mittwochs die Gelegenhei­t bei einer Ortsführun­g ab dem Haus des Gastes.

Höhepunkte im Rahmen des Bäderarchi­tektur-monats sind das Anbaden am 1. Mai, die Aktion „Binzer Zaunkönige“– Kleinkunst in den Vorgärten am 5. Mai, die geführten Villen-besichtigu­ngen unter dem Titel „Hereinspaz­iert in die Villen“immer donnerstag­s sowie das Finale am 31. Mai mit einer fulminante­n Licht-, Ton- und Pyroshow auf der Seebrücke, deren 25-jähriges Jubiläum gefeiert wird. Programm und Informatio­nen auf www.binzer-bucht.de

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Bei einem abendliche­n Spaziergan­g durch Binz bietet sich ein toller Anblick der eindrucksv­oll beleuchtet­en Bäderarchi­tektur des beliebten Ostseebade­s. Im Bäderarchi­tektur-monat Mai können Besucher ausgewählt­e Villen auch besichtige­n.
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Die „Binzer Zaunkönige“: Die Programmre­ihe zeigt Kleinkunst in den Vorgärten der Villen.

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