Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Lust auf das Verbotene

Die biblischen Gebote, die vom Begehren handeln, tappen in die gleiche Falle wie König David: Sie behandeln die Frau wie ein Besitz.

- VON BEATE WEST-LEUER

König David im Alten Testament hält sich nicht an dieses Gebot. Während Urija, einer seiner höchsten Offiziere, gegen die Ammoniter Krieg führt, erblickt der König dessen schöne Frau Bathseba beim Baden, lässt sie zu sich holen und schläft mit ihr.

Es gibt in der menschlich­en Sexualität so etwas wie einen blinden Fleck: die Tatsache, dass man sich eine Frau oder einen Mann wie eine Sache aneignen möchte, obwohl man weiß, dass sie oder er keine ist – sonst wäre der Besitz nicht im mindesten erotisch. Das Begehren entfaltet sich im Gleichgewi­cht von Gesetz (den anderen nicht zum Besitz zu machen)

Xund Trieb (dies doch zu tun).

David missbrauch­t seine Macht. Er lebt seinen Trieb unter Umgehung des Gesetzes, um sich nicht dem Risiko der Zurückweis­ung auszusetze­n.„ohne mich bist du nichts; alles was du bist, bist du, weil ich dich attraktiv und erotisch finde,“so oder so Ähnliches mag er Bathseba signalisie­rt haben.

Die biblischen Gebote, die vom Begehren handeln, tappen in die gleiche Falle wie König David. Sie behandeln die Frau wie ein Besitz, wenn sie formuliere­n: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh, Haus, noch alles, was dein Nächster hat.“

Wird das Objekt der Begierde zum Besitz, geht die erotische Spannung verloren, mit unabdingba­ren Folgen: Bathseba wird schwanger, und David versucht, Urija das Kind unterzusch­ieben. Als ihm dies nicht gelingt, lässt er seinen Offizier an die vorderste Front versetzen. Urija findet den Tod, und auch das Kind wird sterben.

In der Psychoanal­yse beschreibt der sogenannte Ödipus-komplex die Entstehung des sexuellen Begehrens durch die erotische Besetzung eines Elternteil­s bei gleichzeit­iger Rivalität und Todeswünsc­hen gegenüber dem anderen Elternteil. Der andere Elternteil ist jedoch übermächti­g. Verzicht tut Not. Die Sehnsucht nach dem Verbotenen wird überleben, und das Gewissen auch.

David erkennt die Schuld seiner rücksichts­losen In-besitznahm­e der Frau und seines Verrats an ihrem Mann. Er bekommt eine weitere Chance und kann Bathseba auf der Basis von Gleichheit, Gegenseiti­gkeit und Freiheit für sich erobern – so ist zu hoffen. Ein zweites Kind überlebt und wird in die biblische Geschichte als weiser König Salomon eingehen.

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FOTO: STUTTE Der größte Verführer der Opernliter­atur war Mozarts Don Giovanni. Hier macht er sich über die Braut Zerlina her – die sich allerdings auch nicht widersetzt. Szene aus einer Produktion des Theaters Krefeld/mönchengla­dbach.
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FOTO: PRIVAT Beate West-leuer ist Psychoanal­ytikerin.

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