Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hattu Möhrchen?

Zu Ostern gehört der Hase, und zum Hasen gehören Möhren. Das Wurzelgemü­se brilliert in saftigen Rüblitorte­n oder als rheinische­r Klassiker.

- VON CAROLA SIEDENTOP

DÜSSELDORF In rund drei Wochen erwartet Marlies Webers auf ihrem Gemüsehof in Meerbusch die ersten jungen Möhren aus heimischem Anbau. „Im Frühjahr sind sie am zartesten“, sagt die Landfrau. Im Rheinland sind die Möhren ein Gemüse-klassiker. „Möhren untereinan­der ist ein typisch niederrhei­nisches Gericht“, sagt Marlies Webers. Sie führt mit ihrem Mann Heino seit 29 Jahren den Familienbe­trieb in zweiter Generation. Inzwischen würden auch immer mehr jüngere Leute den Klassiker nachkochen und nach dem Rezept fragen. „Sie erinnern sich, wie es bei der Mutter oder Oma geschmeckt hat“, sagt die Landfrau. Außerdem sei es praktisch, ein Gericht in nur einem Topf kochen zu können.

Doch nicht nur die deutsche Küche setzt auf das Wurzelgemü­se. „Die Möhre ist ein Allrounder. Sie passt auch sehr gut zu asiatische­n Gerichten“, sagt Marlies Webers. In ihrem Hofladen gibt sie Rezepte und Tipps zu Lagerung von Gemüse auch gerne an ihre Kunden weiter. Bei vielen sei dieses Wissen inzwischen verlorenge­gangen. Marlies Webers serviert ihrer Familie zum Grillen im Sommer gerne Antipasti aus Möhren, Paprika und Zucchini. Das Gemüse wird in Scheiben und Streifen geschnitte­n, scharf angebraten und mit Balsamico-essig abgelöscht. Dazu Salz, Pfeffer und einen Klecks Honig. „Das Gemüse kann man auch gut zu Nudeln machen“, sagt sie.

Selbst wenn die Wurzel mal nicht die Hauptrolle in einem Gericht spielt, ist sie oft unverzicht­bar. Möhren gehören mit Sellerie, Lauch und Petersilie als Suppengemü­se in jede Brühe. Sie sind Basis für Saucenfond­s und geben Schmorgeri­chten Aroma. Ob im Landgastha­us oder in der Sterneküch­e: An der Möhre kommt kein Koch vorbei.

Das war allerdings nicht immer so. Im 15. Jahrhunder­t war das Gemüse, das je nach Region auch Rübli, Wurzel, Karotte, Mohrrübe oder Gelbe Rübe genannt wird, noch eine harte, gelbe Wurzel. Sie war vor allem in der Küche einfacher Leute zu finden, schreibt Udo Pini in „Das Gourmet-handbuch“. Das hat sich geändert: Inzwischen gibt es rund 500 Sorten, durch die Zucht wurden sie zart und bekamen die typische orange Farbe.

Die Mohrrübe kann auch opulent und süß. Schweizer Rüblitorte oder englischer Carrot-cake sind Rezept-klassiker. Laut der Datenbank „Kulinarisc­hes Erbe der Schweiz“entstand die original „Rüeblitort­e“im Kanton Aargau, der scherzhaft auch Rüebliland genannt wird und klassische­s Möhren-anbaugebie­t ist. Die Rüeblitort­e wurde bis zum Zweiten Weltkrieg vorwiegend in privaten Haushalten gebacken. Seit den 1940er- bis 1950er-jahren haben die Bäcker und Konditoren sie in die kommerziel­le Produktion aufgenomme­n.

Der britische Verwandte des Rüblikuche­ns heißt Carrot Cake. Vermutlich wurde er in England während des Zweitenwel­tkriegs populär, als Zutaten für Kuchen wie Zucker oder Mehl Mangelware waren. Und weil er so köstlich schmeckt, wird der Möhrenkuch­en auch heutzutage noch auf vielen heimischen Kaffeetafe­ln, in Bäckereien und trendigen Cafés serviert. Daniela Kruchen hat ihr Café in Düsseldorf sogar „Carrot Cake“genannt. Der Name stehe aber nicht nur für Möhrenkuch­en allein, sondern auch für Pflanzenpo­wer. „Das‚carrot Cake´ ist ein rein veganes Café, wo wir auf sämtliche tierischen Produkte wie Butter, Eier und Milch komplett verzichten“, sagt sie. Der Name sei aber auch Programm. „Unser Möhrenkuch­en ist unser absoluter Bestseller und der einzige Kuchen, der täglich im Angebot ist.“Ihr Geheimnis: Anstatt Eiern verwendet sie Apfelmus für die veganevari­ante (ein Esslöffel pro Ei), dann wird der Kuchen schön saftig.

Beim Möhrenkuch­en braucht es sicher keine Überredung­skünste, um Kindern das Gemüse schmackhaf­t zu machen. Ansonsten wird dem Nachwuchs die Möhre oft angepriese­n, weil sie so gesund für die Augen sei. Dann folgt gerne der Witz „Oder schon einmal einen Hasen mit Brille gesehen?“.

„Möhren bieten uns viele Vitamine und Mineralsto­ffe, wie Kalium, Mangan, Vitamin K, Vitamin C, Biotin und Beta-carotin, dass der Körper in Vitamin A umwandeln kann“, sagt Ernährungs­beraterin Brigitte Riester aus Kerpen. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie ein Bio-feinkost-geschäft. Sie setzt auf Gemüse aus Bio-anbau, weil so „eine große Menge an Inhaltssto­ffen“geboten werde. Gründliche­s Kauen sei wichtig, um alle Stoffe freizulege­n und dem Körper zur Verfügung zu stellen. Dass Möhren besonders gesund für die Augen sein sollen, liegt daran, dass ein Mangel an Vitamin A die Sehkraft beeinträch­tigen kann. Möhren werden übrigens nicht nur aus kulinarisc­hen Gründen gerne mit Butter oder Sahne serviert. Das Fett hilft dem Körper, dasvitamin zu verwerten. Ansonsten sind Möhren mit rund 40 Kalorien pro 100 g ein echtes Leichtgewi­cht. Da darf’s auch mal ein Stückchen Kuchen mehr sein. „Möhrenkuch­en“Zutaten 200 g Zucker 5 Eier 1 Prise Salz 1/2 Zitrone / Saft und abgerieben­e Schale 1 Msp. Gewürznelk­enpulver 1 Msp. Zimt 250 g Möhren/geschält, geraspelt 250 g gemahlene Haselnüsse 80 g Vollkornwe­izenmehl 1 EL Backpulver Dekoration: Schokolade­nkouvertür­e und Marzipanrü­bchen Zubereitun­g: Zucker und Eigelb mit einer Prise Salz schaumig rühren. Möhrenrasp­eln und Nüsse, Zitronensa­ft und -schale sowie die Gewürze dazu. Mehl und Backpulver vermengen und unter die Möhrenmisc­hung ziehen. Eiweiß steif schlagen und zum Schluss im Teig unterheben. Masse in Springform füllen. Im Backofen bei 180 Grad auf mittlerer Schiene 50-60 Minuten backen. Wenn der Kuchen ausgekühlt ist, mit warmer Kuvertüre überziehen und mit Marzipanrü­bchen dekorieren.

Marlies Webers „Möhren untereinan­der“

Zutaten 1 Kilo Möhren 500 g Kartoffeln Zwei Äpfel 1 Gemüsezwie­bel Durchwachs­ener Speck Petersilie, Salz und Pfeffer Zubereitun­g: Die Möhren, Kartoffeln und Äpfel schälen, in Scheiben und Würfel schneiden und knapp mit Wasser bedeckt kochen. Die Zwiebel in Würfel schneiden und anbraten. Alles mit Salz und Pfeffer würzen. Wenn das Gemüse gar ist, wird die Masse grob gestampft. Angebraten­e Speckwürfe­l und Petersilie untermisch­en.

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FOTO: ISTOCK Der britische Verwandte des Rüblikuche­ns heißt Carrot Cake. Und weil er so köstlich schmeckt, wird er auch hierzuland­e serviert.
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FOTO: BAUCH Im Frühjahr sind Möhren am zartesten.

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