Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Öfter mal einen Gang runterscha­lten

Es ist wichtig, dass die Menschen im Alltag auch mal zur Ruhe kommen.

- VON PETER FRYMUTH

Du sollst den Tag des Herren heiligen. Es gibt in unserer heutigen Zeit nur noch wenige Ruhezonen. Alles ist durchgetak­tet. Immer steht irgendetwa­s an. Familie. Beruf. Freizeit. Seit meiner Jugend bin ich sehr eng mit der katholisch­en Kirche verbunden. Die Pfarrgemei­nde St. Bruno im Düsseldorf­er Stadtteil Unterrath war so etwas wie ein Hafen für mich.

Das hört sich aus heutiger Sicht vielleicht etwas antiquiert an, aber ich bin ja auch 62 Jahre alt. Ich war Messdiener, bin bei Freizeiten mitgefahre­n. Das hat eine nachhaltig­e Bindung geschaffen. Mittlerwei­le hat sich vieles verändert. Glaube ist für mich nicht mit einem festen Ort verbunden und erst Recht nicht mit einem Tag. Er begleitet mich in meinem Leben, und ich bin froh, diesen Halt zu haben.

Früher war der Sonntag frei. Und er ist weitestgeh­end nicht angetastet worden. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da gab es in St. Bruno vier Messen und sogar noch eine Vorabendme­sse. Heutzutage gibt es in vielen Regionen überhaupt keine religiösen Rückzugsrä­ume mehr. Es gibt für diese Entwicklun­g viele Gründe. Die Gesellscha­ft hat sich gewandelt. Und ja, auch der Fußball nimmt ein großes Stück vom Platz ein.

Der Fußball – ich meine nicht die Profis. Da denke ich vor allem an die Basis, die Kinder und Jugendlich­en, die Hunderttau­sende von Amateuren, die am Wochenende sehr viel gemeinsam erleben. Für mich ist ganz klar, dass es Grenzen gibt. Ein Immermehr, Immerweite­r kann es nicht geben. Dazu zähle ich insbesonde­re eine Ausweitung von Champions-league-spielen am Wochenende.

Wo bleibt denn noch das normale Vereinsleb­en? Für viele ist es auch eine soziale Heimat. Um mich nicht misszuvers­tehen: es ist natürlich kein Religionse­rsatz. Wie soll das am Ende alles noch in Einklang gebracht werden? Wir alle müssen Kompromiss­e schließen. Einiges ist aber nicht miteinande­r zu vereinbare­n. Zur Ruhe kommen, zur Besinnung kommen, das kommt im dritten Gebot zum Ausdruck. Und es sollte uns allen Ansporn sein, sich solche Momente zu bewahren.

Ich versuche mich jedenfalls immer mal wieder neu zu justieren. Ich sehe den Fußball als Funktionär oft aus einem anderen Blickwinke­l. Es gibt manches, mit dem auch ich mich nur schwer anfreunden kann. Das Spiel gerät immer mehr in den Hintergrun­d, andere Dinge sind plötzlich viel wichtiger. Und auch auf Verbandseb­ene könnten wir uns manchmal glaubwürdi­ger präsentier­en, um das Vertrauen der Menschen zu rechtferti­gen. Es muss ein täglicher Ansporn sein, sich fair und hilfsberei­t zu verhalten und einander Respekt zu zollen. Eine Botschaft, die weit über den Fußball hinaus gilt. Entscheide­nd ist auch auf dem Platz, also macht uns aus, wie wir uns im Alltag verhalten. Es tut uns allen gut, wenn wir öfter mal einen Gang runterscha­lten und uns unseres Glaubens besinnen.

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FOTO: BRETZ Peter Frymuth ist Vizepräsid­ent des DFB. Als Kind war er Messdiener und ist mit dem „heiligen“Sonntag groß geworden.

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